OVG NRW zum Abschiebungsschutz: Bagdad ist wieder sicher genug

29.08.2019

Die Sicherheits- und humanitäre Lage in Bagdad hat sich laut OVG NRW verbessert. Ein Anspruch auf unionsrechtlichen oder nationalen Abschiebungsschutz bestehe daher ohne Weiteres nicht mehr, entschied das Gericht im Fall einer Irakerin. 

Die Sicherheitslage in Bagdad ist aktuell nicht derart schlecht und die humanitären Verhältnisse dort sind nicht derart prekär, dass aufgrund dadurch bedingter allgemeiner Gefahren ohne Weiteres ein Anspruch auf unionsrechtlichen oder nationalen Abschiebungsschutz besteht. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen im Falle einer aus Bagdad stammenden Schiitin entschieden und der Berufung der Bundesrepublik gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Gelsenkirchen stattgegeben (Urt. v. 28.08.2019, Az. 9 A 4590/18.A). 

Die Klägerin reiste im November 2015 in die Bundesrepublik ein und stellte einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ablehnte. Auf ihre hiergegen erhobene Klage verpflichtete das VG Gelsenkirchen die BRD, ihr subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Asylgesetz (AsylG) wegen einer Gefährdung der Klägerin als Zivilperson im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zuzuerkennen.

Die Berufung der BRD gegen diese Entscheidung hatte vor den Münsteraner Richtern Erfolg. Ob in Bagdad aktuell ein "innerstaatlicher bewaffneter Konflikt" im Sinne des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliege, könne dabei offengelassen werden, so das Gericht. Die in Bagdad auch nach der weitestgehenden territorialen Zurückdrängung des sog. Islamischen Staates (IS) nach wie vor stattfindenden bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschläge führen nach Auffassung der Richter nicht dazu, dass jede Zivilperson allein durch ihre Anwesenheit in Bagdad mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gefährdet ist.

Keine ausreichende Gefährdungswahrscheinlichkeit

Die nach der Rechtsprechung für eine solche Annahme erforderliche Gefahrendichte sei nicht erreicht, so das Gericht weiter. Die Auswertung der von verschiedenen Organisationen erfassten Daten habe ergeben, dass die Opferzahlen in Bagdad seit 2018 stetig gesunken und aktuell auf dem seit Jahren niedrigsten Niveau seien. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl Bagdads von sechs bis sieben Millionen ergebe sich für die Zivilbevölkerung eine Gefährdungswahrscheinlichkeit, die derzeit weit unterhalb der abschiebungsschutzrelevanten Schwelle liege.

Auch die derzeitige humanitäre Lage in Bagdad führe nicht generell zu einem nationalen Abschiebungsverbot. Zwar sei die Versorgungslage im Irak und auch in Bagdad in vielen Bereichen unzureichend und die Lebensbedingungen für große Teile der Bevölkerung sehr schwierig, betonte das OVG. Zu berücksichtigen seien aber immer auch die individuellen Umstände der schutzsuchenden Person. Der Senat schloss nicht aus, dass im Einzelfall eine nach der Rechtsprechung erforderliche "außergewöhnliche Situation" vorliegen könne, in der aus humanitären Gründen eine Abschiebung unzulässig sei. Im Fall der Klägerin, die im Irak aufgewachsen ist, in Bagdad gelebt hat und dort nach wie vor über Familienanschluss verfügt, liege eine solche Situation aber nicht vor.

Laut einer Gerichtssprecherin bedeutet die Entscheidung aber nicht, dass die Frau zurück in den Irak muss. Den allgemeinen Gefahren im Irak werde durch die derzeitige Erlasslage in NRW Rechnung getragen, wonach schon seit Jahren keine zwangsweisen Rückführungen in den Irak durchgeführt werden. Der Status als subsidiär Schutzberechtigte sei der Klägerin darüber hinaus aber nicht zuzuerkennen.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OVG NRW zum Abschiebungsschutz: . In: Legal Tribune Online, 29.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37331 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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