OVG NRW zu Ministeriums-Gutachten über NS-Vergangenheit: Bild-­Journa­list darf Einsicht teil­weise ver­langen

11.08.2015

Ein Journalist bekam nur eine geschwärzte Version eines vom BMEL in Auftrag gegebenen Gutachtens zur NS-Vergangenheit ehemaliger Mitarbeiter im Ministerium. Hiergegen klagt er vor dem OVG NRW - teilweise mit Erfolg.

Das Oberverwaltungsgerichts (OVG) NRW  hat entschieden, dass ein Journalist Einsichtnahme in ein Gutachten über die NS-Vergangenheit ehemaliger Mitarbeiter des Bundeslandwirtschaftsministeriums teilweise verlangen kann (Urt. v. 10.08.2015, Az. 8 A 2410/13).

Zur Klärung der Ehrwürdigkeit ehemaliger Bediensteter seines Geschäftsbereichs im Falle ihres Ablebens hatte das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz einen Privatdozenten mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In dem 2009 fertig gestellten Gutachten mit dem Titel "Entwicklung und Kriterien zur Bewertung der Ehrwürdigkeit von ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BML/BMVEL und der Dienststellen seines Geschäftsbereichs im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus" wurden die Lebensläufe von 62 ehemaligen Bediensteten des Ministeriums, die zum Zeitpunkt der Vergabe des Gutachtenauftrags im Jahr 2005 noch lebten, im Hinblick auf ihre nationalsozialistische Vergangenheit untersucht und bewertet.

Einem Antrag des Klägers - eines Journalisten der Bild-Zeitung - auf Einsichtnahme in das Gutachten unter anderem nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) entsprach das Ministerium nur teilweise. Es teilte zur Begründung mit, die umfangreich geschwärzten Textstellen enthielten personenbezogene Daten auf der Grundlage von Personalakten. Sie könnten aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht herausgegeben werden.

Betroffene müssen einwilligen - wenn sie noch leben

Die Klage auf Einsichtnahme in die geschwärzten Teile des Gutachtens hatte im Berufungsverfahren teilweise Erfolg. Soweit sich die im Schlussbericht enthaltenen Informationen auf noch lebende Personen beziehen, hat der Senat allerdings die Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Köln bestätigt, wonach das Ministerium (lediglich) verpflichtet ist, die Betroffenen zu fragen, ob sie einer ungeschwärzten Weitergabe zustimmten. Nur, soweit diese sich weigerten, dürfe die Schwärzung erfolgen.

Hinsichtlich der bereits verstorbenen Mitarbeiter hat der Senat das Ministerium verpflichtet, die Einsichtnahme in das Gutachten zu gewähren, soweit diese Personen im Schlussbericht als "deutlich kritikwürdig" oder "nicht ehrwürdig" bezeichnet werden oder ihr Todeszeitpunkt mindestens drei Jahre zurückliegt. Hierzu hat der Vorsitzende in der mündlichen Urteilsbegründung ausgeführt, dass der Schutz personenbezogener Daten dem Informationszugang nach § 5 Abs. 1 und 2 IFG nur noch begrenzt entgegenstehe.

Berechtigtes Interesse: Information der Öffentlichkeit

§ 5 Abs. 2 IFG sichere den beamtenrechtlich gewährleisteten Schutz der Vertraulichkeit von Personalakten auch gegenüber Ansprüchen nach dem IFG ab und erstrecke diesen inhaltsgleich auf die im öffentlichen Dienst privatrechtlich Beschäftigten. Personalakten seien nach §§ 106 ff. Bundesbeamtengesetz (BBG) auch nach dem Tod des jeweiligen Bediensteten grundsätzlich weiterhin vertraulich zu behandeln. Diese Vertraulichkeit sei in den §§ 106 ff. BBG jedoch nicht unbegrenzt gewährleistet, sondern werde unter den Voraussetzungen des § 111 Abs. 3 BBG durchbrochen. Als berechtigtes Interesse im Sinne dieser Vorschrift komme auch ein Interesse der Presse an der Information der Öffentlichkeit über Gegenstände von allgemeinem Interesse in Betracht.

Die weiteren engen Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift, wonach das berechtigte Interesse an der Information gegenüber dem Schutz der Personalaktendaten "höherrangig" sein muss, lägen hinsichtlich der bereits verstorbenen ehemaligen Bediensteten teilweise vor. Die Schutzwürdigkeit von Personalaktendaten Verstorbener sei mit dem Tod bereits erheblich vermindert und nehme mit zunehmendem Zeitablauf weiter ab.

Ausgehend davon überwiege das Interesse des Klägers am Informationszugang in Bezug auf die als "nicht ehrwürdig" oder "deutlich kritikwürdig" bezeichneten Personen bereits unmittelbar nach dem Tod und im Übrigen jedenfalls nach Ablauf von drei Jahren nach dem Versterben derart deutlich, dass die Einsichtnahme zu gewähren sei. Soweit der Datenschutz dem Informationszugang danach zurzeit noch entgegenstehe, komme eine Einwilligung in die Preisgabe der Personalaktendaten nach dem Tod der Betroffenen - etwa durch die Angehörigen - nicht in Betracht.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OVG NRW zu Ministeriums-Gutachten über NS-Vergangenheit: . In: Legal Tribune Online, 11.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16562 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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