OVG NRW: Keine Ent­schä­d­i­gung für kopf­tuch­tra­gende Leh­re­rinnen

07.10.2019

Zwei Lehrerinnen warfen dem Land NRW vor, bei der Stellenbesetzung wegen ihrer religiösen Überzeugung benachteiligt worden zu sein. Eine Entschädigung nach dem AGG erhalten sie aber nicht, so das OVG in Münster.

Zwei kopftuchtragenden Lehrerinnen, die sich in ihrer beruflichen Karriere benachteiligt sehen, muss das Land Nordrhein-Westfalen keine Entschädigung zahlen. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster am Montag entschieden und (Urt. v. 07.10.2019, Az. 6 A 2170/16 und 6 A 2628/16).

Hintergrund des Streits ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) aus dem Jahr 2015. Die Karlsruher Verfassungsrichter hatten vor vier Jahren das pauschale Kopftuchverbot im Schulgesetz für das Land NRW für verfassungswidrig erklärt. Daraufhin klagten die Frauen mit Bezug auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auf eine Entschädigung. Das AGG regelt unter anderem, dass Arbeitnehmer wegen ihrer Herkunft, des Geschlechts, ihrer Religion, einer Behinderung, ihres Alters oder ihrer Weltanschauung nicht benachteiligt werden dürfen.

Hat das Land NRW gegen das AGG verstoßen?

Eine der beiden Frauen kommt aus Köln. Sie klagt, weil sie nach ihrem Referendariat 2007 und in den folgenden Jahren nicht in den Schuldienst eingestellt wurde. Dafür macht sie das später gekippte Kopftuchverbot im Landesgesetz verantwortlich.

Die zweite Klägerin wohnt heute im mittelhessischen Marburg. Sie wurde 2004 als Lehrerin angestellt, aber nicht verbeamtet. 2005 stellte sie einen erneuten Antrag auf Verbeamtung – wieder erfolglos. Erst im September 2015 war sie - nach dem Urteil des BVerfG - erfolgreich und wurde verbeamtet.

Die nordrhein-westfälische Verwaltungsgerichtsbarkeit hatte nun zu klären, ob den Lehrerinnen nach dem AGG eine Entschädigung zusteht, weil sie nicht früher verbeamtet beziehungsweise gar nicht erst nicht in den Schuldienst aufgenommen wurden. Die Frage lautete damit, ob der Staat in seiner Rolle als Arbeitgeber gegen das AGG verstoßen hat. Das Verwaltungsgericht (VG) Köln hatte die Klage der beiden Lehrerinnen in der ersten Instanz abgewiesen, weil die religiöse Überzeugung der Frauen schon gar nicht der Grund für die Nicht-Einstellung beziehungsweise zunächst nicht erfolgte Verbeamtung gewesen sei.

OVG: Examensnote zu schwach, AGG zu jung

Das OVG NRW hat sich in seiner Entscheidung dieser Auffassung nun angeschlossen. Zwingende Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch nach dem AGG sei eine Bewerbung, so die Münsteraner Richter. Es reiche nicht schon aus, dass das pauschale Kopftuchverbot in dem früheren Schulgesetz eine unzulässige Diskriminierung dargestellt habe.

So habe sich, führten die Münsteraner Richter aus, die Kölner Klägerin zwar teilweise erfolgslos beworben. Dem Senat fehlten allerdings jegliche Indizien dafür, dass das Land die Frau wegen des Kopftuchs nicht in den Schuldienst aufgenommen habe. Es sei nicht einmal sicher, dass das beklagte Land als Dienstherr überhaupt gewusst habe, dass die Frau aus religiösen Gründen ein Kopftuch trägt. Vielmehr lasse sich so manchen Informationen im Besetzungsverfahren beispielsweise entnehmen, dass die klagende Frau aus Köln wegen ihrer Examensnote oder ihrer Leistungen in den Auswahlgesprächen nicht zum Zuge gekommen sei.

Die Klage der mittlerweile verbeamteten Lehrerin aus Marburg scheiterte hingegen aus anderen Gründen. Sie habe, so der Senat, im Rahmen ihres Begehrens auf Benachteiligungen abgestellt, die zeitlich bereits vor Inkrafttreten des AGG stattgefunden hätten. Ebenso vermochte das OVG keinen Schaden im Falle der Marburger Klägerin erkennen. Deswegen lehnte es auch einen unionsrechtlichen Haftungsanspruch ab, der noch neben der deutschen Regelung in Frage gekommen wäre.

mgö/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

OVG NRW: . In: Legal Tribune Online, 07.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38027 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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