Seit Wochen haben Klimaschützer, Politik, Polizei und der Betreiber des Braunkohletagebaus auf diese Entscheidung gewartet. Jetzt hat das OVG in NRW sie verkündet, Proteste bahnen sich an.
Der Betreiber RWE Power hat im Streit um ein Grundstück in Lützerath am Braunkohletagebau Garzweiler II einen Teilerfolg errungen. Das Unternehmen darf auf dem Grundstück eines Landwirts Vorbereitungen zum Abbaggern des Geländes treffen, wie das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen am Montag in Münster entschieden hat. Die Beschlüsse sind nicht anfechtbar (Beschl. v. 28.03.2022, Az. 21 B 1675/21 und 21 B 1676/21).
Damit hatte der Eilantrag eines Hofbesitzers und zweier Mieter am Rande des Tagebaus gegen eine Entscheidung der Genehmigungsbehörde keinen Erfolg. Zuvor hatte bereits das Verwaltungsgericht (VG) Aachen einen entsprechenden Antrag auf einen vorläufigen Räumungsstopp zurückgewiesen.
Betreiber des Tagebaus ist die RWE Power AG. Das Unternehmen wollte ursprünglich nach der vorzeitigen Besitzeinweisung mit vorbereitenden Arbeiten für das Abbaggern der Grundstücke am 1. November 2021 beginnen. Dabei sollten Gebäude abgerissen und vereinzelte Bäume und Sträucher beseitigt werden. Nach der Eilentscheidung können diese Arbeiten nun beginnen.
Klimapolitische Forderungen müssen an Gesetzgeber gerichtet werden
Zur Begründung teilte das OVG mit, dass die Antragsteller keine Gründe für eine Änderung der Entscheidung des VG Aachen vorgetragen hätten. In der Vorinstanz sei ausführlich vom Gericht dargelegt worden, dass die energiepolitische Grundentscheidung zugunsten der Braunkohleförderung und -verstromung mit dem verfassungsrechtlichen Klimaschutzgebot vereinbar sei.
Die Abwägung der Bezirksregierung Arnsberg sei nicht zu beanstanden, heißt es weiter. Die Anträge des Landwirts und der Mieter würden weitgehend klimapolitische Forderungen enthalten, die im geltenden Recht keine Grundlage hätten und an den Gesetzgeber zu richten wären. Fehler des VG bei der Prüfung der Beschlüsse der Bezirksregierung Arnsberg seien nicht benannt worden.
Am Wochenende nach der Gerichtsentscheidung soll es eine Demonstration in Lützerath geben. Nur noch wenige Gebäude stehen hier; seit Monaten leben Klimaaktivisten in Zelten, Wohnwagen und verlassenen Häusern. Der Hambacher Forst wurde bei den Protesten als "Hambi" berühmt, Lützerath heißt nun "Lützi". Wie im Hambacher Wald haben Aktivisten einige Baumhäuser gebaut. Die Umsiedlung der Bewohner des Ortes wurde schon vor Jahren offiziell abgeschlossen.
Am VG Aachen sind noch Klagen gegen die Grundabtretung, wie Enteignungen im Bergrecht genannt werden, und Besitzeinweisung im Hauptsacheverfahren anhängig. Enteignungen wie zum Beispiel beim Autobahnbau oder im Streit um Lützerath beim Tagebau sind immer dann möglich, wenn das Wohl der Allgemeinheit bejaht wird.
Landesregierung will "Rheinisches Revier" erhalten, Lützerath wird zum Zankapfel
Beim Tagebau Garzweiler II gilt dies wegen der Versorgung des Energiemarktes mit Braunkohle, wie das VG Aachen in einer Entscheidung ausführt. Nach Absprachen von Bund und Ländern mit der alten Bundesregierung zum Kohleausstieg soll noch bis mindestens ins Jahr 2035 Braunkohle genutzt werden.
Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung von SPD, FDP und Grünen steht: "Die im dritten Umsiedlungsabschnitt betroffenen Dörfer im Rheinischen Revier wollen wir erhalten." Über die Nachbarortschaft Lützerath sollten die Gerichte entscheiden. Der Ausstieg aus der Kohle soll "idealerweise auf 2030" vorgezogen werden heißt es weiter.
In der jüngsten Leitentscheidung der Landesregierung ist das Ende der Braunkohleverstromung mit dem 31. Dezember 2038 angegeben. Gleichzeitig soll regelmäßig überprüft werden, ob er um drei Jahre vorgezogen werden kann. Der bundesweit bekannt gewordene "Hambi" am Braunkohletagebau Hambach soll dagegen bestehen bleiben. Daher sind die Proteste der Klimaschützer an einen anderen Ort gewandert.
Nun steht der weitgehend verlassene Ort Lützerath im Zentrum des Protests. Die Klimaschutzaktivistinnen Greta Thunberg und Luisa Neubauer waren schon an der Abbruchkante des Braunkohletagebaus Garzweiler. Der letzte Landwirt im Ort ist Kläger gegen die vorzeitige Besitzeinweisung seines Grundstücks durch die Bezirksregierung Arnsberg an RWE Power. Dieser Schritt ist im Bergrecht eine Vorstufe der Enteignung. Die Behörde in Arnsberg ist für die Aufsicht und Genehmigungen zuständig.
Immer wieder Proteste
Der Kreis der Klimaschützer ist bunt gemischt. Darunter sind Menschen, die mit Kind und Hund am Wochenende "Stoppt Braunkohle!" fordern. Einige Aktivisten sind auch am helllichten Tag maskiert und nennen ihren Namen nicht, um später nicht wegen der Teilnahme an illegalen Aktionen belangt zu werden. Immer wieder kommt es zu Protestaktionen am Tagebau, etwa der Besetzung von Baggern.
Am 24. Februar kam es zuletzt in Lützerath zu einem massiven Polizeieinsatz nach Steinwürfen aus dem Kreis der Aktivisten in Richtung eines Braunkohlebaggers. Teils wurden die herbeigerufenen Polizisten und ihre Autos mit Steinen beworfen, offenkundig aus dem Kreis der Braunkohle-Gegner.
Danach äußerte sich Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach "tief verstört" über die Eskalation der Gewalt. Die Polizei habe alles getan, "um die Situation grundsätzlich zu entschärfen", sagte er. Die Aachener Polizei ist mit ihren Kommunikationsbeamten regelmäßig vor Ort und im Gespräch mit Aktivisten und Klimaschützern. Bis Anfang Oktober dürfen in NRW keine Bäume gefällt oder gerodet werden, auch nicht in Lützerath. Das könnte die Wogen derzeit etwas glätten.
dpa/acr/LTO-Redaktion
OVG NRW: . In: Legal Tribune Online, 28.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47962 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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