Schlappe für den Bund: Nach tagelangen Einsätzen von Bundespolizisten beim G7-Gipfel in Schloss Elmau 2015 muss der Dienstherr nach einem Urteil des OVG in Münster noch zahlreiche Überstunden ausgleichen.
Die Ruhezeiten, die für die Einsatzkräfte der Bundespolizei anlässlich des G7-Gipfels in Schloss Elmau und der anschließenden Bilderberg-Konferenz in Österreich in den Dienstplänen festgesetzt waren, sind arbeitszeitrechtlich als Bereitschaftsdienst zu qualifizieren. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster am Donnerstag entschieden (Urt. v. 13.02.2020, Az. 1 A 1512/18 u.a.). Die sechs klagenden Beamten aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen haben zum Teil ein Anrecht auf jeweils bis zu 200 Stunden mehr Freizeitausgleich - also rund vier Wochen dienstfrei.
Die Kläger waren für die Dauer der Einsätze in Hotels untergebracht, wo sie auch während der in den Dienstplänen ausgewiesenen Ruhezeiten möglichst geschlossen verbleiben sollten. Der Bund lehnte die Anträge der Beamten ab, die Ruhezeiten als Bereitschaftszeiten anzurechnen und hierfür Freizeitausgleich zu gewähren. Das Verwaltungsgericht (VG) Köln hatte die Klagen der Polizisten abgewiesen.
Das OVG kassierte nun die Urteile aus der ersten Instanz und übte scharfe Kritik an den Kölner Richterkollegen. "Für uns war die Entscheidung eindeutig", sagte die Vorsitzende Richterin Karen Keller in der Urteilsbegründung. Zeugenaussagen in der ersten Instanz seien vom Inhalt her "vergewaltigt" worden, sagte Keller. "Wir haben uns gewundert."
Ruhezeit war keine autonom zu gestaltende Freizeit
Auch wenn in Dienstplänen und Befehlen die Einsatz-, Bereitschafts- und Ruhezeiten festgelegt waren, die Realität bei dem internationalen Gipfeltreffen auf Schloss Elmau vor Ort habe anders ausgehen. "Die Ruhezeit war keine autonom zu gestaltende Freizeit für die Beamten", sagte Keller zu den Einsätzen in Bayern und anschließend bei einer Konferenz in Österreich.
Die Anweisung, das Hotelgelände allenfalls nach vorheriger Genehmigung zu verlassen, erforderliche Ausrüstung wie beispielsweise Dienstwaffen bei sich zu führen, ununterbrochen erreichbar zu sein und keinen Alkohol zu sich zu nehmen, habe ermöglichen sollen, die Beamten bei Bedarf jederzeit einsetzen zu können. Keller bezog sich dabei auf Zeugenaussagen vor dem VG in Köln und die Schilderung eines klagenden Beamten in Münster. Der stellvertretende Leiter einer Hundertschaft hatte die Befehlsketten für den tagelangen Aufenthalt in einem Hotel beschrieben. Er und seine Leute seien angewiesen worden, das Hotel nicht zu verlassen, um jederzeit bei Bedarf einsatzbereit zu sein.
Bei der Berechnung des Freizeitausgleichs, der vom Bund auch ausgezahlt werden kann, spielt den klagenden Bundespolizisten zudem eine recht junge Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zusätzlich in die Karten. Demnach müssen Bereitschaftszeiten auch zu 100 Prozent ausgeglichen werden - und nicht wie früher nur zu 50 Prozent.
Ob die Bundesrepublik das Urteil akzeptiert, ist noch offen. Nach Aussage einer Verfahrensvertreterin wolle der Bund erst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
OVG NRW zur Bundespolizei: . In: Legal Tribune Online, 13.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40281 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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