Gesetzentwurf zur Gesichtserkennung: Foto­fahn­dung im Internet

von Dr. Christian Rath

12.08.2024

Innenministerin Faeser will den "biometrischen Abgleich" von Fahndungsbildern mit allen öffentlich zugänglichen Fotos erlauben. Der Gesetzentwurf lässt aber zentrale Fragen offen, meint Christian Rath.

Die Polizei soll künftig Verdächtige, Zeugen und Opfer von Straftaten anhand von Fotos im Internet identifizieren können. Außerdem soll die Polizei mit Hilfe von Internet-Fotos den Aufenthaltsort und die Bewegungen von identifizierten Personen feststellen können. Das sieht ein Referentenentwurf von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vor, der LTO vorliegt.

Voraussetzung ist, dass die Polizei ein Foto der gesuchten Person hat. Es kann sich dabei um die Aufnahme einer Überwachungskamera handeln oder einen Screenshot aus einem Video. Faeser will so zum Beispiel islamistische Terroristen identifizieren, die auf IS-Hinrichtungs- oder Folter-Videos zu sehen sind.

Bei dem vorliegenden Foto wird dann das Gesicht vermessen und es werden hunderte Datenpunkte gespeichert. Diese biometrischen Daten kann die Polizei bisher nur mit den biometrischen Daten der polizeilichen Inpol-Foto-Datenbank abgleichen. Dort sind alle Fotos von erkennungsdienstlich behandelten Personen sowie von Asylsuchenden gespeichert. Pro Jahr werden nach BKA-Angaben rund 20.000 Abfragen getätigt. Auch die Bundespolizei führt bereits solche Abfragen durch. Bei rund 7.700 Abfragen im Jahr 2022 konnte die Bundespolizei immerhin 2.853 unbekannte Personen identifizieren.

Faeser will nun zusätzlich auch den Abgleich mit allen Fotos im Internet erlauben. Die Polizei soll künftig auf alle Fotos zugreifen können, die "öffentlich zugänglich" sind, also auch Fotos aus sozialen Netzwerken, soweit der Nutzerkreis nicht ausdrücklich beschränkt wurde.

Kommerzielle Firmen setzen Politik unter Druck

Faesers Vorschlag beschränkt sich nicht auf Fotos, sondern könnte eines Tages auch für andere Merkmale Anwendung finden, etwa die menschliche Stimme oder den Gang eines Menschen, die mit Audio- oder Video-Aufnahmen aus dem Internet abgeglichen werden könnten.

Faeser steht unter Handlungsdruck, nachdem ein Journalist mit einer kommerziellen Gesichtserkennungs-Software ohne Probleme die jahrzehntelang untergetauchte Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette fand, die im Februar dann in Berlin festgenommen wurde.

Kommerzielle Anbieter wie Clearview und PimEyes sammeln alle Fotos, die sie im Internet finden und speichern sie in eigenen gigantischen Datenpools. Das aber verstößt wohl gegen die EU-Datenschutz-Grundverordnung, denn die Abgebildeten haben nie zugestimmt, Teil eines privaten Fahndungsdatenpools zu werden. Das polnische Unternehmen PimEyes hat deshalb 2022 seinen Sitz auf die Seychellen verlegt. Das US-Unternehmen Clearview musste 2022 sowohl in Griechenland als auch in Italien je 20 Millionen Euro Geldstrafe bezahlen. In Österreich wurde Clearview 2023 als illegal eingestuft, aber keine Strafe verhängt.

Faesers Gesetzentwurf lässt noch offen, wie die deutsche Internet-Fahndung konkret aussehen soll. Soll die Polizei Aufträge an die kommerziellen Unternehmen vergeben? Soll sie eine eigene Vorratsdatenspeicherung aller Internet-Fotos aufbauen? Im Gesetzentwurf heißt es hierzu unter dem Punkt "Erfüllungsaufwand" nur: “wird nachgereicht.”

Repression und Prävention

Faesers "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskriminalamtgesetzes und weiterer Gesetze" will in drei Gesetzen den "biometrischen Abgleich mit öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet" verankern: im BKA-Gesetz, im Bundespolizeigesetz und in der Strafprozessordnung (StPO).

In der StPO würde der biometrische Abgleich den Landespolizeien zur Strafverfolgung erlaubt, soweit es mindestens um mittlere ("erhebliche") Kriminalität geht. BKA und Bundespolizei sollen auch Straftaten verhindern können, soweit sie zuständig sind, etwa bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus oder der Schleusung von Ausländern. Für die allgemeine Gefahrenabwehr wären als Gesetzgeber die Länder in den Polizeigesetzen zuständig.

Für die StPO ist in der Bundesregierung eigentlich nicht Innenministerin Faeser federführend, sondern Justizminister Marco Buschmann (FDP). Dieser hat das mit ihm wohl noch nicht abschließend abgestimmte Projekt nicht sofort abgelehnt. Vielmehr denkt wohl auch Buschmann über eine Regelung nach.

Eine Sprecherin Buschmanns sagte LTO, das Justizministerium prüfe, "ob Regelungsbedarf beim Thema der biometrischen Fernidentifizierung im strafprozessual-repressiven Bereich besteht". Ausgangspunkt ist für Buschmann der am 1. August in Kraft getretene AI Act der EU, der in Art. 26 Abs. 10 Anforderungen für die Gesichtserkennung ("biometrische Fernidentifizierung") aufzählt. Dort ist in der Regel kein Richtervorbehalt vorgesehen. Allerdings kann der nationale Gesetzgeber laut AI Act ausdrücklich über die EU-Vorgaben hinausgehen.

Es wird hier also noch einige Diskussionen innerhalb der Bundesregierung geben. Dass Faesers Referentenentwurf schon in diesem frühen Stadium bekannt wurde, könnte auch mit dem Landtagswahlkampf in Ostdeutschland zu tun haben, bei dem die SPD-Ministerin möglicherweise Profil zeigen wollte.

Keine biometrische Echtzeit-Fahndung

Faesers 66-seitiger Gesetzentwurf umfasst neben der biometrischen Fahndung auch noch einige andere relevante Inhalte. So soll der Datenaustausch mit anderen EU-Staaten neu geregelt werden. Der Einsatz von BKA-V-Leuten und Verdeckten Ermittlern in intimen Situationen wird an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) angepasst. Außerdem werden Vorschriften zur automatisierten Datenanalyse eingeführt. Auch hier sollen Vorgaben des BVerfG (aus dem Hessendata-Urteil von Anfang 2023) berücksichtigt werden.

Ausdrücklich nicht zulassen will Faeser die biometrische Echtzeit-Fahndung. Es sollen also nicht alle Passanten (etwa auf einer Bahnhofs-Rolltreppe) mit den polizeilichen Fahndungsdatenbanken abgeglichen werden. Faesers Vorgänger Horst Seehofer (CSU) hatte auf dem Bahnhof Berlin-Südkreuz 2017 einen entsprechenden Modellversuch durchgeführt. Eine gesetzliche Regelung hatte in der großen Koalition jedoch die SPD verhindert.

Zitiervorschlag

Gesetzentwurf zur Gesichtserkennung: . In: Legal Tribune Online, 12.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55194 (abgerufen am: 13.08.2024 )

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