Nach und nach wird das coronabedingte Berufsverbot für Prostitutionsstätten aufgehoben. Den Anstoß dafür geben Gerichte, die die Infektionsgefahr bei sexuellen Kontakten als genauso hoch ansehen, wie bei bereits wieder erlaubten Aktivitäten.
In den norddeutschen Bundesländern (Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und Niedersachsen) sowie in Nordrhein-Westfalen dürfen die Bordelle nach der coronabedingten Schließung wieder öffnen. In NRW hat dies das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen heute entscheiden, während die norddeutschen Verordnungsgeber auf bereits ergangene oder noch ausstehende Gerichtsbeschlüsse reagiert haben.
Das OVG NRW hat per Eilbeschluss dem Antrag eines Unternehmens stattgegeben, das in Köln ein Erotik-Massagestudio betreibt (Beschl. v. 8.9.20 – Az. 13 B 902/20.NE). Laut Pressemitteilung des Gerichts sei die Untersagung aller sexuellen Dienstleistungen voraussichtlich unverhältnismäßig. Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor dem Coronavirus seien zwar weiterhin grundsätzlich gerechtfertigt. Allerdings wurden auch in anderen gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bereichen vom Verordnungsgeber diese Maßnahmen gelockert, da dem Infektionsrisiko mit Hygiene- und Infektionsschutzregeln begegnet werden könne. Das sei auch bei der Erbringung sexueller Dienstleistungen möglich.
Infektionsrisiko nicht größer als bei Feiern mit 150 Personen
Anders als vom Land NRW vorgetragen, käme es bei sexuellem Kontakt nicht zu einer höheren Atemaktivität als in Fitnessstudios oder bei privaten Feiern mit bis zu 150 Personen, wo getanzt und gesungen wird. Auch dort könnten möglicherweise virushaltige Aerosole ausgestoßen werden und gestattet sei es trotzdem. Hinzu kommt, dass sexuelle Kontakte in der Regel auf zwei Personen beschränkt seien. Es sei daher nicht ersichtlich, warum hier die Gefahr einer Ansteckung größer sein soll, als auf privaten Feiern. Außerdem könne auch bei der Erbringung sexueller Dienstleistungen ein Hygiene- und Infektionsschutzkonzept eingehalten werden.
In den norddeutschen Bundesländern wurde beispielsweise angekündigt, dass die Prostituierten verpflichtet werden, Kontaktlisten zu führen und nur nach Terminabsprache zu arbeiten. Prostitution sei laut der Hamburger Senatorin Melanie Leonhardt (SPD) dort wieder ab dem 15. September erlaubt. Weiterhin verboten seien jedoch Prostitutionsveranstaltungen und Prostitution in Fahrzeugen. Der stellvertretende Ministerpräsident von NRW, Joachim Stamp (FDP), findet eine Kontaktverfolgung jedoch "schwierig", da es sich um einen Bereich handele, der Diskretion erfordere. Für ihn sei noch unklar, wie der Beschluss des OVG NRW umgesetzt werden könne.
Zu der Absprache zwischen den norddeutschen Bundesländern sei es aufgrund noch ausstehender und bereits ergangener Gerichtsentscheidungen gekommen. Vergangenen Freitag erst hatte das OVG des Landes Sachen-Anhalts entschieden, dass Prostitutionsstätten wieder öffnen dürfen und auch in Niedersachsen erging im August eine gerichtliche Entscheidung. In Bremen stünde eine Entscheidung noch an, für die aber jetzt der Klagegrund weggefallen wäre. Außerdem soll die gemeinsame Entscheidung der Norddeutschen dazu beitragen, eine Abwanderung in Prostitutionsstätten der anderen Bundesländer zu verhindern.
Die Bordellbetreiber werden diese Entwicklung begrüßen. Das coronabedingte Berufsverbot hat sie hart getroffen, viele Arbeitsplätze sind in Gefahr. Erst letzte Woche wurde bekannt, dass das bekannte Kölner Bordell Pascha einen Insolvenzantrag gestellt hat.
pdi/LTO-Redaktion mit Materialien der dpa
Prostitutionsstätten dürfen wieder öffnen: . In: Legal Tribune Online, 08.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42739 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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