Die Polizei wollte Prostitution im gesamten Braunschweiger Stadtgebiet per Sperrbezirksverordnung verbieten. So leicht darf sie es sich aber nicht machen, entschied nun das OVG Niedersachsen.
Der Schutz vor Prostitution sei nicht im ganzen Stadtgebiet Braunschweig notwendig. Ein Verbot sei nur in besonders sensiblen Gebieten zulässig. Dies entschied das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) am Mittwoch (Urt. v. 31.1.2024 – 11 KN 353/21 u.a.) und erklärte damit die Verordnung über das Verbot der Prostitution in Braunschweig (Sperrbezirksverordnung) der Polizeidirektion für unwirksam.
Die Verordnung enthielt ein grundsätzliches Bordellverbot im gesamten Stadtgebiet. Erlaubt blieben nur Betriebe, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verbots im August 2022 bereits legal waren, und neue Bordelle im historischen Rotlichtviertel der Stadt. Außerdem wurden kleine Toleranzzonen festgelegt, in denen weiterhin Bordelle eröffnet werden konnten.
Um diese Toleranzzonen zu ermitteln, untersuchte die Polizeidirektion Braunschweig die Industrie- und Gewerbegebiete Braunschweigs anhand einer Checkliste, um herauszufinden, ob sie vor Prostitution geschützt werden müssen. Auf der Checkliste standen u.a. die Merkmale „angrenzendes Wohngebiet", „Schule inkl. 500 m Umkreis" oder „soziale Einrichtungen". Erfüllte ein Gebiet eins der Merkmale, kam es für die Polizeidirektion nicht mehr als Toleranzzone in Betracht.
“Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes“
Dem Vorgehen der Polizei erteilte das OVG nun eine Absage. Die Polizeiverordnung verstoße gegen Art. 297 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB). Ein Prostitutionsverbot für das gesamte Gemeindegebiet darf nämlich nach Art. 297 Abs. 1 Nr. 1 EGStGB “zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes“ nur in Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern verhängt werden. Braunschweig hat knapp 250.000 Einwohner und fällt deshalb nicht unter die Regelung.
Die Polizei habe also bereits kein Verbot für das gesamte Stadtgebiet verhängen dürfen. Die Prostitution könne in einzelnen Gebieten, die besonders schutzwürdig und sensibel sind, verboten werden. Dies treffe beispielsweise auf Gebiete mit hohem Wohnanteil, Schulen, Kindergärten, sowie sozialen Einrichtungen oder Kirchen zu, so das Gericht.
Polizeirecht müsse von Bauplanungsrecht getrennt werden
Zudem kritisierte das OVG, die Polizei habe bei Kerngebieten einfach unterstellt, dass sie schutzwürdig sind, ohne dies zu prüfen. Zwar sind in diesen Gebieten schutzwürdige Einrichtungen, wie etwa Kirchen oder Wohnungen, bauplanungsrechtlich zugelassen, § 7 Abs. 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO). Die Polizeidirektion dürfe aber nicht deshalb unterstellen, dass diese im konkreten Fall auch ordnungsrechtlich geschützt werden müssen. Für Mischgebiete hat das Bundesverwaltungsgericht 2021 entschieden, dass Bordelle dort bauplanungsrechtlich zulässig sein können.
Auch die Auswahl der Toleranzzonen hätte die Polizei, nach Auffassung des Gerichts, so nicht vornehmen dürfen. Die Polizei habe immer das ganze von der Stadt festgesetzte Gebiet, anhand der Checkliste überprüft. Dabei handele es sich jedoch auch um eine städtebauliche und somit bauplanungsrechtliche Einteilung. Diese könne nicht ohne weiteres auf das Polizeirecht übertragen werden. Die Polizei hätte die Zonen also selbst einteilen müssen. So hätte sie vielleicht durch eine Neueinteilung Zonen finden können, in denen kein Merkmal der Checkliste erfüllt gewesen wäre.
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die Kläger können Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zum BVerwG einlegen.
hes/LTO-Redaktion
OVG Niedersachsen zu Sperrbezirksverordnung: . In: Legal Tribune Online, 02.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53790 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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