Erfolg für einen Rechtsanwalt und Besitzer einer Ferienimmobile: Er muss bei der Rückkehr nach Niedersachsen nicht in Quarantäne. Das OVG hielt den entsprechenden Paragrafen in der Corona-Verordnung für unwirksam. Mit deutschlandweiten Folgen?
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die generelle Quarantänepflicht für Menschen außer Vollzug gesetzt, die aus dem Ausland ins Land einreisen. Das teilte die Justizbehörde am Montagabend mit. Die Richter gaben damit dem Eilantrag eines Rechtsanwalts und Eigentümers einer Ferienhausimmobilie in Schweden statt (Beschl. v. 11.05.2020, Az. 13 MN 143/20).
Für die Regelung in § 5 der Niedersächsischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie fehle es bereits an einer Rechtsgrundlage, so der Senat. Der Paragraf unterwirft aus dem Ausland Einreisende grundsätzlich einer 14-tägigen Quarantänepflicht. Der Beschluss ist unanfechtbar, wie es hieß.
Ein Argument der Richter: Das Infektionsschutzgesetz lasse eine Regelung durch Rechtsverordnung nur zu, wenn bestimmte Voraussetzungen vorlägen. Dieses Gesetz sehe Quarantäne nur für bestimmte Personen vor - etwa Kranke oder Krankheitsverdächtige. Im Hinblick auf die weltweiten Fallzahlen, die in Relation zur Weltbevölkerung zu setzen seien, könne auch bei Berücksichtigung einer hohen Dunkelziffer ein aus dem Ausland Einreisender aber nicht pauschal als Krankheits- oder Ansteckungsverdächtiger angesehen werden.
Bedeutung auch für andere Bundesländer
Die Freiheit von Menschen, die unter Quarantäne gestellt würden, werde in erheblichem Maße beschränkt. Es sei aber möglich, durch Rechtsverordnungen Risikogebiete auszuweisen, die die Verhängung einer Quarantäne rechtfertigten, argumentierten die Richter. Alternativ könne der Staat Menschen, die aus dem Ausland einreisen, verpflichten, sich unverzüglich bei den jeweils zuständigen Infektionsschutzbehörden zu melden. Diese könnten dann - etwa durch Befragungen und/oder Tests - Maßnahmen ergreifen.
Nach Einschätzung von Dr. Mark-Oliver Otto, der in dem Verfahren Antragssteller und Verfahrensbevollmächtigter war, wird die Entscheidung über Niedersachsen hinaus Bedeutung erlangen. Die für unwirksam erklärte Regelung beruhe auf einer zwischen Bundesregierung und Ministerpräsidenten abgestimmten Musterverordnung, die von allen Bundesländern im Wesentlichen inhaltsgleich als Rechtsverordnung erlassen worden sei, hieß es in einer Mitteilung seiner Hamburger Kanzlei KWR Law. Die Quarantänepflicht habe viele von einer Reise abgehalten, da sie im Anschluss an den Urlaub nicht weitere 14 Tage in häuslicher Quarantäne verbringen können oder wollen. Mit der Entscheidung werde die Möglichkeit, einen Urlaub im Ausland zu verbringen, effektiv wiederhergestellt, so die Kanzleimitteilung.
"Die Entscheidung zeigt, dass auch in Zeiten der Corona-Krise die vom Grundgesetz vorgegebenen Beschränkungen der Befugnisse der Exekutive gelten, insbesondere dass Eingriffe in Freiheitsrechte nur auf Basis einer tragfähigen Rechtsgrundlage in Form eines parlamentarischen Gesetzes möglich sind und dass auch kurzfristig eine effektive gerichtliche Kontrolle der teilweise erheblichen Grundrechtseingriffe erfolgt", so Otto. Wer aus dem Ausland einreist, solle sich aber trotz allem verantwortungsbewusst zeigen und bei Symptomen oder bei einer besonderen Infektionsgefahr freiwillig in Quarantäne begeben.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
Rückkehr aus dem Auslandsurlaub: . In: Legal Tribune Online, 12.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41586 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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