Die Dauerobservation eines Sexualstraftäters ist auch dann rechtmäßig, wenn seine Familie davon mitbetroffen ist. Dies entschied das OVG Nordrhein-Westfalen am Freitag. Die Polizei hatte den Mann, der bei seinen Angehörigen lebte, von März 2009 bis Februar 2011 rund um die Uhr außerhalb der Wohnung überwacht.
Der Mann war zweimal wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung verurteilt worden. Er hatte zuletzt eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren voll verbüßt. Obwohl zwei Gutachter gegen Ende des Jahres 2008 zu dem Ergebnis gekommen waren, dass er künftig mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen werde, durch die potentielle Opfer seelisch und körperlich schwer geschädigt würden, erwies sich eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung als rechtlich unmöglich.
Nachdem der Mann im März 2009 zu seinen Angehörigen gezogen war, ordnete die Polizei eine längerfristige Observation an und verlängerte diese Anordnungen mehrmals, zuletzt bis zum 10. Februar 2011. Dagegen klagten die Familienmitglieder erfolglos.
Der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen bestätigte die Rechtmäßigkeit der Observation und ihrer Auswirkungen auf die Kläger im Einklang mit der Vorinstanz (Urt. v. 05.07.2013, Az. 5 A 607/11). § 16a des Polizeigesetzes NRW sei zwar keine taugliche Rechtsgrundlage für die Dauerobservation von Sexualstraftätern sowie unvermeidbar Mitbetroffener, so das OVG. Eine solche Maßnahme bedürfe wegen der erheblichen Dauer und der Schwere des Eingriffs einer speziellen Rechtsgrundlage.
Generalklausel übergangsweise anwendbar
Die Polizei durfte die Überwachung jedoch übergangsweise bei Beachtung strikter Verhältnismäßigkeit auf die polizeiliche Generalklausel stützen.
Von dem Mann sei nach seiner Entlassung aus der Haft eine erhebliche Gefahr für höchste Rechtsgüter ausgegangen. Diese Prognose durfte die Polizei auf die kurz vor der Haftentlassung erstellten Gutachten stützen. Der Sexualstraftäter hatte keine Bereitschaft gezeigt, sich mit seinen Taten auseinanderzusetzen, was die Gutachter für eine maßgebliche Voraussetzung für eine veränderte Gefahreneinschätzung hielten.
Die polizeiliche Generalklausel decke auch die unvermeidbare Mitbetroffenheit Dritter ab, die nicht gezielt observiert werden.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Dagegen kann beim Bundesverwaltungsgericht Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden.
cvl/LTO-Redaktion
OVG NRW zu Dauerobservation: . In: Legal Tribune Online, 08.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9095 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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