Ein Schöffe sollte seines Amtes enthoben werden, weil er unter anderem Corona-Demonstrationen besucht und organisiert habe. Das sei aber keine grobe Amtspflichtverletzung, entschied das OLG - und lehnte den Antrag ab.
Schöffen können nicht schon deshalb ihres Amtes enthoben werden, weil sie gegen das Versammlungsgesetz oder die Maskenpflicht verstoßen haben. Weder für sich allein noch in der Gesamtschau betrachtet ergibt sich aus den Verstößen eine gröbliche Amtspflichtverletzung, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken (Beschl. v. 14.10.2022, Az. 1 Ws 187/22).
In dem Fall ging es um einen Jugendhauptschöffen, dem vorgeworfen wird, an sogenannten "Montagsspaziergängen" teilgenommen und entsprechende Versammlungen veranstaltet zu haben. Die nicht ordnungsgemäß angemeldeten Versammlungen richteten sich gegen die damals geltenden Corona-Schutzmaßnahmen. Wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz war Anklage in drei Fällen gegen den Schöffen erhoben worden. Außerdem hatte er wegen der Nichteinhaltung der Maskenpflicht zwei Bußgeldbescheide kassiert. Daraufhin hatte der Vorsitzende des Schöffenwahlausschusses beantragt, den Mann seines Amtes zu entheben und angeregt, ihm bis zur Entscheidung über diesen Antrag die Führung der Amtsgeschäfte vorläufig zu untersagen. Den Antrag haben die Richter nun abgelehnt.
Grundlage für die Enthebung aus dem Amt ist § 51 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), der eine gröbliche Verletzung der Amtspflichten voraussetzt. Eine solche Pflichtverletzung ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift dann anzunehmen, wenn der Schöffe ein Verhalten zeigt, das ihn aus objektiver Sicht eines verständigen Verfahrensbeteiligten ungeeignet für die Ausübung des Schöffenamtes erscheinen lässt, weil er nicht mehr die Gewähr bietet, unparteiisch und nur nach Recht und Gesetz zu entscheiden.
Keine Ablehnung der verfassungsmäßigen Ordnung ersichtlich
Wann das erforderliche Maß der Pflichtverletzung erreicht ist, sei eine Frage der konkreten Umstände des Einzelfalls, stellten die Richter klar. Dabei sei mit Blick auf das verfassungsrechtlich verankerte Prinzip des gesetzlichen Richters der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in besonderem Maße zu beachten. Als Pflichtverletzungen von erheblichem Maße kämen neben beispielsweise der Verletzung des Beratungsgeheimnisses und wiederholtem unentschuldigtem Fernbleiben von Sitzungen insbesondere auch verfassungsfeindliche Aktivitäten in Betracht. Denn der Gesetzgeber habe § 51 GVG vor allem deshalb geschaffen, um seiner Verpflichtung nachzukommen, Schöffen und Schöffinnen, die die freiheitlich demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnen oder bekämpfen, aus dem Amt zu entfernen. Ein entsprechendes schwerwiegendes Fehlverhalten außerhalb des Amtes könne insoweit genügen.
An diesem Maßstab gemessen reiche das dem Schöffen zur Last gelegte Verhalten nicht aus, um eine gröbliche Amtspflichtverletzung anzunehmen, stellten die Richter fest. Durch die Teilnahme an den Versammlungen habe der Schöffe seine Grundrechte auf Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG wahrgenommen. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass die von ihm dabei zum Ausdruck gebrachte Ablehnung der zum damaligen Zeitpunkt staatlich angeordneten Maskenpflicht im Freien bedeute, dass er grundsätzlich staatliche Strukturen ablehne und deshalb kein Repräsentant des Rechtsstaates mehr sein könnte.
Nach Ansicht des OLG ergebe sich auch nicht Anderes, sollte der Schöffe darüber hinaus - wie angeklagt - Versammlungen unter freiem Himmel ohne Anmeldung veranstaltet oder geleitet haben. Das von § 26 Versammlungsgesetz (VersG) unter Strafe gestellte Unrecht bestehe ausschließlich darin, dass einer behördlichen Meldepflicht nicht nachgekommen worden ist. Eine die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnende Grundeinstellung des Schöffen könne hierin jedoch nicht erblickt werden. Es sei außerdem auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den betreffenden "Montagsspaziergängen" ausnahmslos um friedliche Versammlungen handelte, bei der auch Grundrechte Dritter nicht beeinträchtigt worden seien, so die Richter.
pab/LTO-Redaktion
OLG Zweibrücken lehnt Amtsenthebung ab: . In: Legal Tribune Online, 06.12.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50385 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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