Aus einer bestehenden Verletzung vor Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung entwickelte sich ein Geschwür. Haftet der Versicherer, wenn deshalb die Reise ins Wasser fällt? Ja, so das OLG Schleswig-Holstein.
Normalerweise deckt eine Reiserücktrittsversicherung nur unvorhergesehen auftretende Krankheiten ab. Doch was passiert, wenn sich eine bereits bekannte Verletzung verschlimmert? Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgerichts (OLG) hat nun klargestellt, dass selbst in solchen Fällen der Versicherungsschutz bestehen bleiben kann (Urt. v. 18.03.2024, Az. 16 U 74/23).
Im konkreten Fall hatte eine Frau nach einem Sturz von einer Leiter eine Schürfwunde erlitten, bevor ihr Ehemann für die Familie eine Reise buchte. Zum Zeitpunkt der Buchung bestand die Schürfwunde bereits, jedoch noch ohne Anzeichen einer Infektion. Anschließend entschied sich der Ehemann dazu, eine Reiserücktrittsversicherung hinzuzufügen. Die Versicherung schloss jedoch den Schutz für den Fall einer unerwarteten Verschlechterung einer bereits bestehenden Krankheit aus, sofern innerhalb der letzten sechs Monate vor Vertragsabschluss eine Behandlung erfolgte.
Nach Abschluss der Versicherung infizierte sich die Wunde der Frau und entwickelte sich schließlich zu einem Geschwür. Als Reaktion darauf stornierte der Mann die Reise. Doch die Versicherung weigerte sich, für die Stornokosten aufzukommen. So landete der Fall zum ersten Mal vor Gericht.
Die erste Instanz wies die Klage des Mannes noch ab, da die Schürfwunde und die daraus resultierende Krankheit bereits vor Vertragsabschluss bestanden hätten. Nach Ansicht der Vorinstanz sind die Wunde und das aus ihr entstehende Geschwür als eine Einheit zu betrachten.
OLG: Infekt und Schürfwunde sind zwei verschiedene Krankheiten
Das OLG Schleswig-Holstein sah die Angelegenheit jedoch anders als die Vorinstanz. Seiner Ansicht nach sind eine Schürfwunde und ein Infekt zwei unterschiedliche Krankheitsbilder. Dass der Infekt ohne die Schürfwunde gar nicht erst eingetreten wäre, ändert laut OLG nichts daran.
Entscheidend sei dagegen nur, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kein Anzeichen für eine Infektion vorlag und die Wunde nicht innerhalb der letzten sechs Monate vor Vertragsabschluss behandelt wurde. Nicht der Zeitpunkt des Auftretens der Schürfwunde sei demnach maßgeblich, sondern der Zeitpunkt des Eintritts der Infektion, so das Gericht.
Da sich die Infektion der Frau erst nach Abschluss der Versicherung ausweitete und dazu auch sechs Monate zuvor kein Arzt aufgesucht worden war, ist der Versicherungsschutz nach Ansicht des Gerichts nicht zu versagen. Die Versicherung müsse die Stornokosten übernehmen.
xp/LTO-Redaktion
OLG zum Umfang einer Reiserücktrittsversicherung: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54171 (abgerufen am: 12.11.2024 )
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