Daimler kämpft im Diesel-Skandal, der mehr oder weniger die gesamte deutsche Autoindustrie erfasst hat, um seinen Ruf. Nun kommt Hilfe vom OLG Schleswig: Die Abschaltvorrichtung in Daimler-Dieseln sei keine sittenwidrige Schädigung.
Mercedes-Mutterkonzern Daimler hat seine Diesel-Kunden nicht vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, entschied kürzlich das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG). Dem Stuttgarter Autobauer sei jedenfalls kein Schädigungsvorsatz nachzuweisen, befand das Gericht (Urt. v. 18.09.2019, Az. 12 U 123/18).
Geklagt hatte ein Mann gegen den Fahrzeughersteller, der 2012 einen gebrauchten Mercedes Benz vom Typ 220 CDI erworben hatte, der mit der Euro-Abgasnorm 5 ausgezeichnet war. Dessen Motor enthielt eine Steuerungssoftware zur Beeinflussung der Abgasrückführung. Solche Einrichtungen sind mehr oder weniger der Mittelpunkt des Abgasskandals, in dem sich deutsche Autobauer für die Umgehung von Schadstoffvorgaben und damit auch eine mögliche Schädigung ihrer Kunden verantworten müssen. Autokäufer befürchten etwa, dass ihre Wagen an Wert oder sogar die Straßenzulassung verlieren könnten.
Die Entscheidung aus Schleswig-Holstein wurde nur wenige Tage nach einem Urteil des OLG Stuttgart bekannt, das VW - wie zuvor schon zahlreiche andere Gerichte - wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung einer Diesel-Kundin zur Zahlung von Schadensersatz verureilte.
Worin liegt aber nun der Unterschied zu den VW-Urteilen? Oder ist das OLG Schleswig einfach nur anderer Meinung als viele andere Richterkollegen?
Mercedes verwendet andere Abschalteinrichtung als VW
Zur Einordnung der Entscheidung ist ein wenig technisches Detailwissen nötig. Der von Daimler produzierte Motorentyp OM 651 verwendet nicht die von VW im Motorentyp EA 189 verbaute Abschalteinrichtung, die bewirkt, dass auf dem Prüfstand andere Abgasrückführungsmodi aktiviert werden als auf der Straße, was zu einem verfälschten Messergebnis führen kann. Der Daimler-Motor verwendet zwar auch eine Abschalteinrichtung, die allerdings nicht an den Betriebsmodus (Straße oder Prüfstand), sondern an die Außentemperatur gekoppelt ist und danach die Abgasrückführung reguliert.
Diese "Thermofenster" genannte Technik sei somit nicht offensichtlich darauf ausgelegt, ein Prüfverfahren zu überlisten, befanden die Richter nun, da aus ihrer Sicht zumindest auch andere Aspekte in Betracht kommen, die für eine solche Vorrichtung sprechen, z. B. - wie von Daimler argumentiert - der Motor- und Bauteilschutz. Deshalb könne nicht einfach unterstellt werden, dass der Hersteller damit gezielt betrügen wollte.
Die Richter unterschieden dabei explizit zur VW-Umschaltlogik, bei der die Sache anders liege. Bei dieser dränge sich geradezu auf, dass sie gesetzeswidrig sein müsse, während aufgrund eines "Thermofensters" nicht zwingend auf einen Schädigungsvorsatz geschlossen werden könne.
Zulässigkeit von Thermofenster unklar
Festzuhalten ist: Das OLG Schleswig vermied es ausdrücklich, über die Zulässigkeit eines solchen Thermofensters zu entscheiden. Ob es sich dabei um eine unzulässige Abschaltvorrichtung im Sinne der EU-Verordnung über die Kfz-Typengenehmigungen handele, könne in diesem Fall offen bleiben, so die Richter. Denn aus ihrer Sicht lässt sich jedenfalls ein Schädigungsvorsatz - den die sittenwidrige Schädigung nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zwingend voraussetzt - nicht beweisen.
Auch in Volkswagen-Motoren kam ein sogenanntes "Thermofenster" schon zum Einsatz - nämlich bei der Software-Nachrüstung der vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge. Das Landgericht Düsseldorf etwa geht aber auch in diesen Fällen davon aus, dass eine sittenwidrige Schädigung trotz Software-Updates vorliegt.
mam/LTO-Redaktion
OLG Schleswig zu Daimler-Diesel: . In: Legal Tribune Online, 11.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38135 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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