Im September vergangenen Jahres erstritt Jörg Kachelmann die Rekordsumme von 635.000 Euro Schadensersatz gegen Bild & Bild online. In der mündlichen Verhandlung am Donnerstag hat das OLG Köln angedeutet, diese verringern zu wollen.
Jörg Kachelmann erlebte im September 2015 eine späte Genugtuung: Nach damaligem Urteil des Landgerichts (LG) Köln hatten Bild & Bild online das Persönlichkeitsrecht des ehemaligen Wettermoderators durch ihre Berichterstattung zu den gegen ihn erhobenen Vergewaltigungsvorwürfen vielfach verletzt. Die Bild-Zeitung wurde wegen 20 Fällen unzulässiger Berichterstattung zu 335.000, Bild online wegen 18 Fällen zu weiteren 300.000 Euro Schadensersatz verurteilt – gemeinsam die höchste Summe in der Geschichte des deutschen Presserechts.
Die beiden Springer-Medien hatten damals umgehend Berufung eingelegt. Doch auch Medienanwalt Ralf Höcker, der Kachelmann in dem Prozess vertritt und vor dem LG ursprünglich die Summe von 2,25 Millionen gefordert hatte, wollte für seinen Mandanten noch mehr rausholen.
Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln am Donnerstag sieht es danach aus, als würde Springer in zweiter Instanz günstiger davonkommen. Die Vorsitzende Richterin Margarete Reske stellte am Vormittag klar, dass sie insgesamt eher eine Strafe von 395.000 bis 415.000 Euro für angemessen hält. Mit Blick auf Bild online nannte sie die Summe von 180.000 bis 190.000 Euro, für Bild print ergäbe sich somit eine Zahlung von etwa 225.000 Euro.
Zulässigkeit: Keine Frage des Ob, sondern des Wie
Reske stellte klar, es sei grundsätzlich zulässig, wenn Medien über einen Prozess gegen einen Prominenten berichteten. Dabei sei es auch erlaubt, den Namen des Angeklagten zu nennen und über Details des Verfahrens zu berichten. Allerdings müsse dies mit der gebotenen Zurückhaltung geschehen, denn bis zu einer Verurteilung gelte für den Angeklagten die Unschuldsvermutung. In dem vorliegenden Fall gehe es also um die Grenzen einer grundsätzlich zulässigen Berichterstattung und um eine Abwägung zwischen der Freiheit der Presse und den Persönlichkeitsrechten des Betroffenen.
Bei der "Bild"-Berichterstattung über den Kachelmann-Prozess konnte das Oberlandesgericht - wie zuvor schon das Landgericht - keine zielgerichtete, mit weiteren Medien koordinierte Kampagne erkennen. Allerdings habe die Zeitung in ihrer gedruckten Ausgabe und online mehrfach die Grenzen des Erlaubten überschritten und Kachelmanns Persönlichkeitsrecht schwer verletzt. Das gelte etwa für Fotos von ihm im Gefängnishof.
Vergleich zum Madeleine-Urteil
Die bisher höchste Entschädigung in einem ähnlichen Verfahren hatte 2009 das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg bewilligt. Es sprach der schwedischen Prinzessin Madeleine 400.000 Euro zu wegen insgesamt 86 Fällen der Falschberichterstattung, darunter 77 Titelgeschichten, 42 ihr zugeschriebenen Falschzitaten (davon 6 auf der Titelseite) und 52 Fotomontagen (3 davon mit einem Baby im Arm, 9 im Hochzeitskleid), die über mehrere Jahre in Regenbogenzeitschriften erschienen waren.
Richterin Reske wies am Donnerstag darauf hin, dass es sich dabei sogar um frei erfundene Berichte gehandelt habe. Den Kachelmann-Berichten hätten hingegen die tatsächlichen Ermittlungen und der Prozess gegen ihn zugrunde gelegen. Höcker gab dagegen zu bedenken, dass das Leben der Prinzessin durch die Märchen der illustrierten Klatschblätter nicht im Mindesten so stark beeinträchtigt worden sei wie das von Kachelmann durch die Berichte der größten deutschen Zeitung. Deshalb müsse auch die Entschädigung für ihn höher sein als für die schwedische Prinzessin.
cvl/dpa/LTO-Redaktion
OLG Köln zu Schadensersatzklage gegen Bild: . In: Legal Tribune Online, 28.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19249 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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