Der frühere Arzt der Colonia-Dignidad-Sekte in Chile, Hartmut Hopp, muss nichts ins Gefängnis. Das chilenische Strafurteil gegen ihn wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch sei nicht vollstreckbar, befand das OLG Düsseldorf.
Hartmut Hopp, einst Arzt der berüchtigten Sekte Colonia Dignidad in Chile, bleibt ein freier Mann. Der 74-Jährige war in Chile wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch verurteilt worden. Bevor seine Strafe 2011 rechtskräftig wurde, floh er nach Deutschland und ließ sich in Krefeld nieder. Weil er als Deutscher nicht nach Chile ausgeliefert werden darf, hatte Chile beantragt, dass er die fünfjährige Haftstrafe in Deutschland verbüßen sollte.
Doch das im Urteil der chilenischen Justiz dargestellte Verhalten Hopps sei nach deutschem Recht nicht strafbar, teilte das Düsseldorfer Oberlandesgericht am Dienstag mit (Az. III-3 AR 158/17). In den chilenischen Urteilsgründen seien keine konkreten Handlungen Hopps genannt, die eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch oder Strafvereitelung rechtfertigten. Die Entscheidung ist abschließend, weitere Rechtsmittel gibt es nicht.
Das Urteil in Südamerika erging wegen der Unterstützung, die Hopp dem Gründer der Colonia Dignidad, Paul Schäfer, bei der Vergewaltigung und Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in insgesamt 20 Fällen geleistet haben soll. Das Gericht in Chile hatte ihn dafür zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Tag verurteilt.
LG Krefeld hielt Urteil für vollstreckbar
Mit der Entscheidung des OLG Düsseldorf endet ein jahrelanges juristisches Tauziehen. Staatsanwälte und Richter hatten sich in Nordrhein-Westfalen durch über tausend Seiten an Gerichtsakten aus Chile gearbeitet. Das Landgericht (LG) Krefeld hatte das Urteil als vollstreckbar eingestuft: Auch nach deutschen Maßstäben sei Hopp in Chile ein rechtsstaatlicher Prozess gemacht worden. Dagegen ging Hopp mit einer Beschwerde zum OLG vor.
Nun widersprach das OLG der Vorinstanz. So sei im Urteil aus Chile nicht festgestellt worden, dass Hopp etwa den Zugriff auf die missbrauchten Kinder ermöglicht oder erleichtert habe. Der Umstand, dass Hopp über Jahre hinweg der Führung der Colonia Dignidad angehörte und damit das System gestützt habe, reiche für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch nicht aus.
Hopp zählte zum Führungskreis um den Sektengründer Paul Schäfer. Bekannt wurde die Siedlung, weil dort während der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet politische Häftlinge gefoltert und ermordet wurden. Schäfer wurde 2006 wegen Kindesmissbrauchs in Chile zu 20 Jahren Haft verurteilt und starb dort 2010 im Gefängnis.
Gerichtssprecher: Hopp nicht rehabilitiert
Das Oberlandesgericht stellte nun klar: Hopp habe Schäfer keine Kinder zugeführt. Der Arzt habe die Klinik der Siedlung geleitet und nicht das Internat, in dem die Kinder missbraucht wurden.
Die von deutschen Auswanderern gegründete Siedlung, später in Villa Baviera umbenannt, liegt rund 350 Kilometer südlich von Santiago de Chile. Die deutsche Sekte war Anfang der 1960er Jahre aus Siegburg bei Bonn ausgewandert.
Hopps Verteidiger Helfried Roubicek erklärte am Dienstag, sein Mandant sei unschuldig und habe viele Jahre auf Rechtssicherheit in Deutschland warten müssen. Nun sei er endlich rehabilitiert. Das aber sah ein Gerichtssprecher anders: Hopp bleibe ein nach chilenischem Recht verurteilter Straftäter. Seine Unschuld könne aus dem Düsseldorfer Beschluss nicht abgeleitet werden.
Die Entscheidung werde vielen Opfern der Colonia Dignidad sehr weh tun, teilte Grünen-Politikerin Renate Künast mit. "Wir brauchen unverzüglich einen Hilfsfonds mit Zahlungen für die Opfer der Colonia Dignidad und ein Dokumentationszentrum vor Ort in Chile."
dpa/mam/LTO-Redaktion
Strafurteil aus Chile nicht vollstreckbar: . In: Legal Tribune Online, 25.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31139 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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