Gericht setzt Verfahren aus: Kreml­kri­tiker Nawalny weiter ver­schwunden

18.12.2023

Fast zwei Wochen ist Alexej Nawalny schon verschwunden. Nachdem der Kremlkritiker am Montag erneut nicht zu einem Prozess zugeschaltet werden konnte, setzte der Richter das Verfahren vorerst aus. Dieses Vorgehen stieß auf harsche Kritik.

Der seit fast zwei Wochen in Haft verschwundene Kremlgegner Alexej Nawalny ist am Montag erneut nicht zu einer Gerichtsverhandlung erschienen. Vor einem Gericht in der Stadt Kowrow werden derzeit Klagen des Politikers gegen die Gefängnisleitung verhandelt. Der Richter im Gebiet "Wladimir" habe deshalb das Verfahren bis zur Klärung des Aufenthaltsortes des Politikers eingestellt, teilte Nawalnys Team mit. Die Juristen des Oppositionellen kritisierten, dass das Gericht damit gegen russische Gesetze verstoße. "Der Richter hat sich einfach der Pflicht der Rechtsprechung entledigt, anstatt das Erscheinen des Klägers sicherzustellen", teilten Nawalnys Juristen mit.

Die Sonderbeauftragte des UN-Menschenrechtsrats für die Lage in Russland, die Bulgarin Mariana Katzarova, äußerte sich am Montag in Genf besorgt. Gerade wenn Gefangene in andere Gefängnisse verlegt würden, sei das Risiko von Menschenrechtsverletzungen groß, teilte sie mit. Sie verlangte die sofortige Freilassung von Nawalny und anderen willkürlich Festgehaltenen, sowie Wiedergutmachungen für ihr Leiden.

Der unter anderem wegen angeblichen Extremismus zu 19 Jahren Haft verurteilte Nawalny führt immer wieder Klagen gegen den Strafvollzug wegen Verletzung seiner Rechte. Seit Anfang Dezember fehlt von dem schärfsten Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin jede Spur. "Alexej hätte heute sieben Gerichtsverhandlungen haben sollen", sagte seine Sprecherin Kira Jarmysch am Montag. Die Sorge um den 47-Jährigen sei groß, weil er gesundheitlich angeschlagen ist.

Bald wird in Russland wieder "gewählt"

Mitarbeiter des Strafvollzugs hätten vor Gericht einmal mehr lediglich mitgeteilt, dass Nawalny nicht mehr im Straflager IK-6 rund 260 Kilometer östlich von Moskau im Gebiet Wladimir sei. Es gebe aber weiterhin keine Informationen zu seinem Aufenthaltsort. Nawalnys Juristen warfen dem Strafvollzug auch Lügen vor, weil die Angestellten zuletzt erklärt hatten, der Politiker werde aus technischen Gründen nicht zu den Verhandlungen vor Gericht per Video zugeschaltet.

Auf die Frage des Richters, warum Nawalny aus dem Lager verlegt wurde, hätten die Vertreter des Strafvollzugs geantwortet: "zur Verbüßung seiner Strafe". "Am Wochenende haben die Juristen Anfragen in mehr als 200 Untersuchungsgefängnissen gestellt. Wir warten auf Antworten", sagte Nawalnys Mitarbeiter Leonid Wolkow.

Die Kremlgegner um Nawalny hatten Anfang Dezember auch die Kampagne "Russland ohne Putin" begonnen, mit der sie Wähler vor der Präsidentenwahl am 17. März dazu aufrufen, durch die Stimmabgabe für andere Kandidaten ihren Protest zu äußern. Putin tritt zum fünften Mal bei der Abstimmung an, mögliche Mitbewerber gelten als chancenlos.

Nawalny ist seit fast drei Jahren in Haft. Anfang Dezember hatten russische Behörden neue Anschuldigungen gegen den Politiker vorgebracht, diesmal geht es um angeblichen Vandalismus. Nawalny hatte 2020 einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok überlebt. Im Juni 2023 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fest, dass die russische Justiz hierzu nicht hinreichend ermittelt habe.

dpa/jb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Gericht setzt Verfahren aus: . In: Legal Tribune Online, 18.12.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53447 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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