Für drei Monate strich das Jobcenter einem Hartz IV-Empfänger die Leistungen, weil er sich nicht um einen Job bemüht hatte. Das LSG NRW bestätigte die Kürzung, obwohl die umstrittene Sanktionsregelung zur Überprüfung beim BVerfG liegt.
Darf der Regelsatz von Hartz IV-Empfängern gekürzt werden, wenn sie sich nicht an Vorgaben des Jobcenters halten? Diese Frage beschäftigt zurzeit das BVerfG. Und solange das Verfahren dort anhängig ist, lautet die Antwortet das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen: ja. Es spricht sich damit gegen eine vorläufige Leistungsgewährung aus, wie es nun bekannt gegeben hat (Beschl. v. 17.07.2019, Az. L 7 AS 987/19).
In dem zu entscheidenden Fall verpflichtete das Jobcenter einen Leistungsempfänger, sich monatlich fünf Mal um eine Arbeitsstelle zu bewerben, seine Bemühungen zu dokumentieren und jeweils zu Beginn des Folgemonats nachzuweisen. Diesen Vorgaben kam der Mann nicht nach. Er war der Auffassung, sich nicht um eine Arbeitsstelle bemühen zu müssen, da er das Wirtschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland ablehne.
Das Jobcenter minderte daraufhin seinen Anspruch auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für drei Monate um hundert Prozent und hob die vorangegangene Bewilligung insoweit auf. Für die Zeit erhielt der Mann also nur noch Geld für seine Unterkunft. Dagegen legte er Widerspruch ein und beantragte zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung.
LSG: Leistungen stehen nach geltendem Recht nicht zu
Vor dem LSG blieben seine Bemühung, wie zuvor beim Sozialgericht (SG) Aachen, erfolglos. Nach Ansicht der Richter spreche "nach der maßgebenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides." Der Hartz IV-Empfänger könne keine aufschiebende Wirkung geltend machen, weil der Senat in seinem Fall keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Sanktion habe, die seine Leistungen vollständig kürze, heißt es in dem Beschluss.
Zu einem anderen Ergebnis kommt das LSG NRW auch nicht über die Vorschrift des § 41a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) II, auf die sich der Leistungsempfänger noch berufen hatte, um vorläufig Leistungen zu erhalten. Danach kann über Geld- und Sachleistungen vorläufig entschieden werden, wenn das BVerfG gerade die Verfassungsmäßigkeit einer SGB-II-Vorschrift prüft.
Das LSG argumentierte nun: Zwar sei ein Verfahren zu den Sanktionsregelungen gerade in Karlsruhe anhängig (Az. 1 BvL 7/16). Allerdings handle es sich bei der Norm um eine bloße Verfahrensvorschrift, die einen Leistungsanspruch voraussetze. Die Regelung erlaubt es Gerichten, von ihrer grundsätzlichen Pflicht, endgültige Entscheidungen zu treffen, abzuweichen und stattdessen ausnahmsweise über vorläufige Leistungen entscheiden.
Da das LSG NRW die Sanktionen, die den Mann treffen, für verfassungsgemäß hält, besteht seiner Auffassung nach auch kein materieller Anspruch. Die bloße Verfahrensvorschrift führe deswegen nicht dazu, Leistungen gewähren zu müssen, die nach dem geltenden Recht nicht zustünden.
mgö/LTO-Redaktion
LSG Nordrhein-Westfalen zu Hartz IV-Leistungen: . In: Legal Tribune Online, 09.09.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37491 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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