Das Jobcenter forderte von einem Sozialhilfeempfänger 117.000 Euro zurück. Das LSG glaubte dem Mann nicht, dass es sich um freundschaftliche Darlehen wohlhabender Veranstalter von Hahnenkämpfen aus Bahrain gehandelt habe.
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass auch für Darlehen im Freundes- und Familienkreis gewisse Mindestanforderungen eingehalten werden müssen, die den üblichen Modalitäten im Geschäftsverkehr entsprechen. Das Urteil wurde am Montag veröffentlicht (Urt. v. 24.04.2018, Az. L 7 AS 167/16).
In dem Verfahren wandte sich eine libanesisch-/türkischstämmige Familie aus Hannover gegen die Rückforderung von Grundsicherungsleistungen durch das Jobcenter. Die Familie erhielt von verschiedenen Absendern aus Bahrain, Libyen und den Vereinigten Arabischen Emiraten 39 Einzelzahlungen über den Bargeldtransferdienst Western Union in Höhe von insgesamt 117.000 Euro. Das Geld wurde meist an Dritte im Beisein des Mannes ausgezahlt und danach an diesen übergeben.
Im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachtes der Geldwäsche erklärte der Mann, dass es sich bei den Zahlungen um ein Darlehen von wohlhabenden Veranstaltern von Hahnenkämpfen aus Bahrain gehandelt habe.
Tilgung darf nicht im Belieben des Darlehensnehmers stehen
Die Familie habe das Geld für die Anschaffung eines Autos, Kosten der Hochzeit, eine Reise in die Türkei und wegen geschäftlicher Verbindlichkeiten des Bruders und des Vaters benötigt. Ein schriftlicher Darlehensvertrag existiere nicht, Zinsvereinbarungen seien aus religiösen Gründen verboten, Rückzahlungsquittungen seien kulturell unüblich. Zur Tilgung solle Erspartes an Verwandte mitgegeben werden, die es im Libanon übergeben würden.
Das LSG hat die Rückforderung des Jobcenters bestätigt und die Zahlungen als Einkommen der Familie bewertet. Um der Gefahr eines Missbrauchs von Steuermitteln entgegenzuwirken, seien für Darlehensverträge unter Freunden strenge Anforderungen an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit des Vertrages zu stellen.
Eine Darlehensgewährung müsse sich klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten Unterhaltsgewährung abgrenzen lassen. Als Indizien müssten mindestens Darlehenshöhe, Rückzahlungsmodalitäten und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbar sein, so die Celler Richter. Es sei nicht ausreichend, wenn bei einer im Verhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit exorbitant hohen Darlehenssumme letztlich Zeit und Höhe der Tilgung im Belieben des Darlehensnehmers stünden.
mgö/LTO-Redaktion
LSG Niedersachen-Bremen zu Grundsicherungsleistungen: . In: Legal Tribune Online, 18.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29211 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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