Wer kündigt, um mit seinem Lebenspartner zusammenzuziehen, hat einen wichtigen Grund und bekommt sofort nach der Kündigung Arbeitslosengeld, so das LSG Niedersachsen-Bremen - und stellt sich gegen das BSG.
Das Zusammenziehen mit einem nicht-ehelichen Lebensgefährten kann einen wichtigen Grund für eine Kündigung darstellen. Zu diesem Schluss kam das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in einem nun veröffentlichten Urteil (Urt. v. 12.12.2017, Az. L 7 AL 36/16). Damit grenzte es sich klar von der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ab.
Die 1955 geborene Klägerin arbeitete zunächst als Einzelhandelsverkäuferin in Schleswig-Holstein. 2011 lernte sie ihren jetzigen Lebensgefährten kennen, der seinen Lebensunterhalt als Hausmeister und Gärtner im 175 Kilometer entfernten niedersächsischen Landkreis Nienburg verdiente. Nach Beginn ihrer Beziehung wirtschafteten beide aus einem Topf und sorgten im Krankheitsfall für einander. Bereits im Dezember 2012 verlobte sich das Paar.
Da beide die häufige räumliche Trennung als große Belastung empfanden, schmiedete man bald Pläne, zusammenzuziehen. Um dies zu ermöglichen, bewarb sich die Frau auf mehrere Stellen in der Nähe ihres Verlobten, hatte damit aber keinen Erfolg. Da man nicht länger abwarten wollte, kündigte sie 2013 ihre Stelle an ihrem bisherigen Wohnsitz und zog zu ihrem Verlobten, wo sie sich arbeitsuchend meldete.
LSG grenzt sich ausdrücklich von BSG-Linie ab
Geld vom Jobcenter gab es aber keines: Die Bundesagentur für Arbeit verhängte eine zwölfwöchige Sperrzeit, da sie ohne wichtigen Grund gekündigt habe. Dies stand im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG, welches ein Zusammenziehen zwar in der Vergangenheit durchaus als wichtigen Grund für eine Kündigung gewertet hatte, allerdings nur bei wenigstens bestehender Verlobung und Aussicht auf eine baldige Eheschließung. Die beiden Verlobten hatten aber bis dato keine Absicht, einen Heiratstermin festzulegen.
Dem trat nun das LSG entgegen, nachdem zuvor bereits das Sozialgericht (SG) Hannover die Klage der Frau gegen die Sperrzeit für begründet gehalten und ihr das Arbeitslosengeld für die erste Zeit nach ihrer Kündigung zugesprochen hatte (Urt. v. 17.03.2016, Az. S 80 AL 50/14).
Es erscheine nicht mehr zeitgemäß, die Anwendung der Sperrzeitvorschrift an einen familienrechtlichen Status anzuknüpfen, so das LSG nun. Der in § 159 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) III genannte wichtige Grund sei "kein Privileg für Ehegatten oder für anders genau definierte Personengruppen, sondern gilt uneingeschränkt für alle Arbeitslosen in ihrer aktuellen und spezifischen Lebenssituation".
LSG: "Kein Instrument zur Durchsetzung von moralischen Vorstellungen"
Die Richter grenzten sich mit mehr als deutlichen Worten von der BSG-Rechtsprechung ab. Die Sperrzeit sei kein "Instrument zur Disziplinierung und Durchsetzung von gesellschaftspolitischen, religiösen oder moralischen Vorstellungen", stellten sie im Urteil klar.
Entscheidender als der formelle Status war für das LSG die in seinen Augen von Kontinuität, Verantwortung und Fürsorge geprägte Beziehung, die ausschließe, dass die Frau ihre Stelle leichtfertig aufgegeben habe. Somit bestand nach Auffassung der Richter, welche in der Sperrzeit-Klausel nur eine Möglichkeit sah, um Personen daran zu hindern, sich ohne Not arbeitslos zu melden, um Leistungen zu kassieren, keine Notwendigkeit zu deren Anwendung.
Lange arbeitslos geblieben war die Klägerin ohnehin nicht: Bereits im Februar 2014 trat sie eine neue Stelle an. Das Arbeitslosengeld für die Zwischenzeit muss ihr nun ausgezahlt werden, sofern es nicht zur Revision vor dem BSG kommt. In diesem Fall bleibt abzuwarten, ob sich die Bundesrichter der Meinung der Vorinstanzen anschließen werden.
mam/LTO-Redaktion
LSG lehnt Sperrzeit nach Kündigung ab: . In: Legal Tribune Online, 22.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26619 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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