LSG Celle zur Rückforderung von ALG-II-Leistungen: Sozial­wid­riges Ver­halten im Bier­garten

14.01.2019

Wer seine Hilfebedürftigkeit selbst herbeiführt, darf nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft leben. So entschied das LSG u. a. in den Fällen eines Mannes, der sein Erbe vertrank, und eines Taxifahrers, der eine Bierbank entwendete.

Wer ein Erbe von 200.000 Euro binnen zwei Jahren in der Kneipe vertrinkt oder als Taxifahrer sein Fahrzeug für einen Diebstahl von Bierbänken nutzt, darf Grundsicherungsleistungen des Jobcenters nicht behalten, weil die eigene Hilfebedürftigkeit in missbilligenswerter Weise zulasten der Solidargemeinschaft selbst herbeiführt wurde. Wo genau sozialwidriges Verhalten anfängt, hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in drei am Montag veröffentlichten Urteilen aufgezeigt.

Bei sozialwidrigem Verhalten sieht das zweite Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) einen Ersatzanspruch vor. Nach § 34 SGB II ist derjenige zum Ersatz der erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet, der die Voraussetzungen zum Erhalt der Grundsicherungsleistungen vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.

Das Erbe in der Kneipe vertrunken

Von einem grob fahrlässig und in hohem Maße zu missbilligendem Ausgabeverhalten ging das LSG im Fall eines 51-jährigen Hartz-IV-Empfängers aus Emden aus (Urt. v. 12.12.2018, Az. L 13 AS 111/17). Er hatte nach dem Tod seines Onkels 2011 Immobilien im Wert von 120.000 Euro sowie Geld- und Wertpapiervermögen von 80.000 Euro geerbt. Zwei Jahre später war das Erbe aufgebraucht. Als Begründung gab der Mann an, alkoholkrank zu sein und den überwiegenden Teil des Tages in Gaststätten verbracht zu haben. Allein 60.000 Euro habe er außerdem verschenkt, um zu gefallen.

Die Celler Richter bestätigten den Rückforderungsanspruch des Jobcenters, weil das Verhalten dem Grundsatz der Eigenverantwortung zuwiderlaufe. Da der Hartz-IV-Empfänger nicht beabsichtige, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, hätte ihm klar sein müssen, dass er mit seinem sozialwidrigen Verhalten in kurzer Zeit wieder auf staatliche Leistungen angewiesen sein würde. Wie das Gericht dem Mann vorhielt, hätte ein durchschnittlicher, nichterwerbstätiger Mann sieben Jahre und sieben Monate von dem Erbe leben können.

Die Bierbank mit dem Taxi entwendet

Auch im Fall eines Taxifahrers, der seinen Wagen für einen Diebstahl nutzte, ging das LSG von einem sozialwidrigen Verhalten und der rechtmäßigen Rückforderung der Sozialleistung durch das Jobcenter aus (Urt. v. 12.12.2018, Az. L 13 AS 137/17). Der 49-jährige Ostfriese war während der Arbeitszeit mit seinem Taxi zu einem Biergarten gefahren und hatte dort mithilfe des Autos Mobiliar gestohlen. Sein Arbeitgeber sprach daraufhin die fristlose Kündigung aus, woraufhin der Mann ungefähr für ein Jahr erneut von Hartz IV lebte. Der ehemalige Taxifahrer vertrat die Auffassung, dass eine Abmahnung ausgereicht hätte. Eine Kündigungsschutzklage zu erheben, habe er damals allerdings versäumt.

Zwar betonte das LSG, dass nicht jede Straftrat, die zum Jobverlust führt, automatisch sozialwidrig ist. Das Verhalten des Taxifahrers bewerteten die Richter in seinem Fall aber als schwere arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Er habe das Taxi nicht nur für eine unerlaubte Privatfahrt, sondern auch für das Begehen einer Straftat genutzt

Würde er damit weiterhin Gäste vom Biergarten abholen, könnte der Eindruck einer Duldung oder gar einer Verbindung des Arbeitgebers mit der Straftat entstehen, weswegen eine weitere Beschäftigung nicht zuzumuten gewesen sei, ohne dass es zu einer erheblichen Rufschädigung des Unternehmens gekommen wäre, entschied das LSG. Der Mann habe bei einem derart schweren Pflichtverstoß deshalb eben doch mit seiner fristlosen Kündigung rechnen müssen.

Job gekündigt, um Mutter zu pflegen

Kein sozialwidriges Verhalten erkannte das LSG indes im Fall einer 38-jährigen Frau, die eine Stelle am Bremer Flughafen im Schichtdienst zur Pflege ihrer schwerbehinderten Mutter kündigte. Die Sozialbehörde hatte der Frau Leistungen mit der Begründung verweigert, sie habe schon bei Abschluss des Arbeitsvertrages gewusst, dass der Job mit der Pflege ihrer Mutter unvereinbar sei.

Das sahen die Richter anders: Die Frau habe die Vereinbarkeit von Pflege und Arbeit sehr wohl austesten dürfen, ohne dass ihr im Falle des Scheiterns sozialrechtliche Nachteile entstehen (Urt. v. 12.12.2018, Az. L 13 AS162/17).

mgö/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

LSG Celle zur Rückforderung von ALG-II-Leistungen: . In: Legal Tribune Online, 14.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33195 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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