LSG Niedersachsen-Bremen zu Grundsicherungsleistungen: Hartz IV beziehen, aber einen Pick-Up-Truck fahren?

24.06.2019

Hartz-IV-Empfänger dürfen für ihre Arbeitssuche ein eigenes Auto nutzen. Nur: Wie viel darf das wert sein? Ein Künstler kann sein Fahrzeug jetzt vorerst weiterfahren – bis das Jobcenter ein Wertgutachten über das Fahrzeug vorlegt.

Wer Grundsicherungsleistungen haben will, muss ein teures Auto grundsätzlich vorher verwerten. Wie dabei das Zusammenspiel der Freibeträge abläuft, hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in einer am Montag veröffentlichten Entscheidung präzisiert (Beschl. v. 16.05.2019, Az. L 11 AS 122/19 B ER).

Geklagt hatte ein 58-jähriger Geringverdiener. Vom Geld seiner Eltern hatte sich der freischaffende Künstler im Juni 2014 einen großen Pick-Up-Truck (Ford F 150, US-Import) für 21.000 Euro gekauft. Als der Mann Anfang 2017 Grundsicherungsleistungen beantragte, lehnte das Jobcenter seinen Antrag ab, weil er nicht hilfebedürftig sei. Er müsse vorhandenes Vermögen in Form des Autos zunächst verwerten. Nach eigenen Internetrecherchen des Jobcenters und dem Angebot eines örtlichen Gebrauchtwagenhändlers war dabei von einem Wert von 20.000 Euro auszugehen.

Die Celler Richter widersprachen dem Jobcenter jedoch und verpflichteten es im im Wege des vorläufen Rechtsschutzes dazu, dem Mann vorerst weiter Grundsicherung zu leisten. Der Künstler sei hilfebedürftig, weil der Fahrzeugwert die ihm zustehenden Freibeträge nicht überschreite.

LSG: Jobcenter hat noch kein Wertgutachten eingeholt

Für Arbeitssuchende gelte ein seit Jahren unveränderter Kfz-Freibetrag von 7.500 Euro, um ihre Mobilität bei einer Arbeitsaufnahme zu erhalten, so das LSG. Hinzu komme ein Vermögensfreibetrag, der mit zunehmendem Alter ansteige und im Fall des Mannes 9.300 Euro betrage. Da außer dem Auto kein weiteres Vermögen vorhanden war, hätte der Mann den Truck nur verkaufen müssen, wenn der Wert 16.800 Euro übersteigt.

Die Richter konnten die Berechnung des Jobcenters aber nicht nachvollziehen. So habe es nicht verlässlich darlegen können, dass der Fahrzeugwert über dem Freibetrag liege. Die Behörde hätte nach Auffassung des Gerichts insbesondere begründen müssen, warum ein Kraftfahrzeug fünf Jahre nach dem Kauf und mit einer Laufleistung von 70.000 Kilometern in dieser Zeit nicht an Wert verloren haben sollte.

Auch die vom Jobcenter beantragte richterliche Inaugenscheinnahme des Autos brachte nach Einschätzung des LSG keine anderen Erkenntnisse. Vielmehr beanstandete das Gericht, dass bei solch unterschiedlichen Einschätzungen bisher kein Wertgutachten eingeholt worden ist. Damit hätte das Jobcenter zudem gegen seine Amtsermittlungspflicht aus § 20 Sozialgesetzbuch (SGB) X verstoßen. Da im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nur geschätzt werden könne, sei dies im Hauptsacheverfahren nachzuholen, so der Senat.

Die Wertermittlung von Autos sei ein nüchterner Rechenvorgang ohne soziale Missbilligung, erläutert Pressesprecher Carsten Kreschel. "Hätte der Kläger einen Golf für 7.500 Euro in der Garage und 9.300 Euro auf dem Konto, wäre seine Bedürftigkeit nie angezweifelt worden."

mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LSG Niedersachsen-Bremen zu Grundsicherungsleistungen: . In: Legal Tribune Online, 24.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36051 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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