LG Saarbrücken hebt Urteil gegen Aktionskünstler auf: Lie­ge­stütze auf Altar kein "beschimp­fender Unfug"

10.07.2017

Für eine Videoveröffentlichung machte ein Aktionskünstler Liegestütze auf einem Altar und ließ sich dabei Filmen. Die Religionsausübung sah das LG wegen des künstlerischen Charakters nicht gestört, sondern "nur" den Hausfrieden gebrochen.

Der Videokünstler Alexander Karle hat sich nicht wegen Störung der Religionsausübung strafbar gemacht, als er auf dem Altar einer katholischen Kirche Liegestütze machte. Das entschied das Landgericht (LG) Saarbrücken am Montag und hob das Urteil des Amtsgerichts (AG) Saarbrücken vom Januar auf. Zahlen muss der Mann aber trotzdem, denn der Richter sprach eine Verwarnung wegen Hausfriedensbruchs aus und erteilte eine Auflage (Urt. v. 10.07.2017, Az. 12 Ns 54/17).

Karle stieg in der katholischen Kirche St. Johann in Saarbrücken über eine rote Absperrkordel, kletterte auf den Altar und machte dort 27 Liegestütze. Später veröffentlichte er ein Video von der Aktion unter dem Titel "Pressure to perform" ("Leistungsdruck") in einem Schaufenster und bei Ausstellungen.

LG sieht keinen "beschimpfenden Unfug"

Vom AG wurde der Videokünstler noch wegen Hausfriedensbruchs und Störung der Religionsausübung zu einer Geldstrafe in Höhe von 700 Euro verurteilt. "Dem Angeklagten fehlt im Umgang mit anderen das Gespür für das, was angemessen ist", hieß es Anfang des Jahres. Wenn ein Altar einer Turnmatte gleichgesetzt werde, bringe dies objektiv eine Missachtung zum Ausdruck. Ob es sich bei der Aktion um Kunst gehandelt habe, könne deshalb dahinstehen. Auch die Kunstfreiheit könne nicht zu jeder Zeit und an jedem Ort verwirklicht werden, äußerte sich die Amtsrichterin damals.

Anders als das AG und die Staatsanwaltschaft betrachtete das LG die Aktion von Karle jedoch als Ausübung seiner künstlerischen Tätigkeit und nicht als "beschimpfenden Unfug". Genau das setzt der Tatbestand des § 167 Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB) aber voraus.

"Kunst ist das, was der Künstler als Kunst bezeichnet", erklärte der Richter in seiner Begründung, "und es steht uns nicht an, Herrn Karle das abzusprechen" - ungeachtet dessen, ob diese Kunst gefalle oder provoziere. Bei der Aktion möge es sich zwar um Unfug gehandelt haben, aber es fehle in jedem Falle "der beschimpfende Charakter". Karle sei "dezent, ruhig und zurückhaltend" vorgegangen.

Hausfriedensbruch nicht durch Kunstfreiheit gerechtfertigt

Allerdings habe sich Karle, als er im Januar 2016 über die Kordel in den Altarraum stieg, des Hausfriedensbruchs nach § 123 StGB strafbar gemacht. Nach Auffassung der Kammer könne dieser auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden, sagte eine Sprecherin gegenüber LTO. Neben dem Schuldspruch hat das Gericht Karle lediglich verwarnt und eine vorbehaltliche Strafe in Höhe von 500 Euro bestimmt. Zusätzlich erteilte es dem Mann die Auflage, sofort 500 Euro an eine Caritas-Jugendeinrichtung zu zahlen.

"Der Richter hat sehr weise entschieden", kommentierte Karle das Urteil. Pastor Eugen Vogt, der seinerzeit Anzeige gegen den Künstler erstattet hatte, zeigte sich enttäuscht. "Ich hätte mir gewünscht, dass die Argumente der Staatsanwaltschaft mehr zum Tragen gekommen wären", gab er zu. Nach wie vor halte er die Aktion für "ein grob ungehöriges und missachtendes Verhalten". Dem Künstler sei jedes Mittel recht, um sich selbst bekannt zu machen.

Im Gegensatz zu Karles Meldung von vergangener Woche, dass es sich bei seinem Film nur um eine Videomontage gehandelt habe, blieb der Künstler am Montag vor Gericht bei seinem Geständnis vom ersten Prozess. "Ich wollte nur zeigen, wie widersprüchlich das Thema ist, was fiktiv oder real ist", begründete er auf Nachfrage der dpa. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft hatte nicht ausgeschlossen, dass alternativ wegen Vortäuschens einer Straftat gegen den Künstler ermittelt werden könne.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LG Saarbrücken hebt Urteil gegen Aktionskünstler auf: . In: Legal Tribune Online, 10.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23413 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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