Jetzt ist es offiziell: Das Verfahren gegen den früheren SS-Sanitäter Hubert Zafke ist eingestellt. Doch gegen die langjährigen Richter in dem Verfahren sind inzwischen Strafanzeigen gestellt.
Der Prozess gegen den früheren SS-Sanitäter Hubert Zafke ist eingestellt worden. Der Angeklagte sei aufgrund seiner Demenz nicht mehr verhandlungsfähig, erklärte der Sprecher des Landgerichts (LG) Neubrandenburg, Carl Christian Deutsch, am Dienstag. Das hätten zwei Gutachter unabhängig voneinander festgestellt. Die Entscheidung musste in neuer Besetzung der Schwurkammer ergehen, denn drei der früheren Richter waren zuvor für befangen erklärt worden.
Im Jahr 2015 hatte der Mordprozess gegen Zafke begonnen. Ihm wurde Beihilfe zum Mord in 3681 Fällen vorgeworfen. Die Anschuldigungen gegen den heute 96-Jährigen gerieten jedoch schnell in den Hintergrund. Grund dafür waren Streitigkeiten über die Nebenklageberechtigung der Brüder Walter und William Plywaski. Deren Mutter Regina Plywaski war in dem KZ Ausschwitz zu der Zeit ermordet worden, als laut Anklageschrift auch Zafke dort tätig war.
Insgesamt drei Mal musste das Oberlandesgericht (OLG) Rostock die Nebenklageberechtigung feststellen: Erstmals bei Prozessbeginn 2015. Dann widerrief die Schwurgerichtskammer des LG sie Anfang 2016, doch das OLG hob diese Entscheidung auf. Anfang 2017 sprachen die Richter am LG den beiden Brüdern die Nebenklageberechtigung dann wieder ab.
Sie begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Anklageschrift keinen Tatvorwurf umfasse, der im Zusammenhang mit der Ermordung von Regina Plywaski stehe. Damit legten sie eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) im viel diskutierten Fall Gröning anders als die Karlsruher Richter aus. Sowohl die Nebenklagevertreter als auch die Staatsanwaltschaft stellten daraufhin Befangenheitsanträge gegen die drei Richter. Das LG gab allen drei Befangenheitsanträgen statt.
Vier Verhandlungstage in zweieinhalb Jahren
Zu vier Verhandlungstagen in zweieinhalb Jahren hatte es das Schwurgericht Neubrandenburg gebracht. "Unverzichtbare Regeln des Rechts wurden auf dem Weg zu diesem Verfahrensende von der früheren Schwurgerichtskammer unter Vorsitz von Richter Kabisch nicht beachtet", erklärte der Anwalt der Nebenkläger, Thomas Walther. Für die Staatsanwaltschaft in Stralsund sehe er jetzt den Auftrag, die Ermittlungen gegen die früheren Mitglieder der Schwurkammer wegen Rechtsbeugung zu forcieren.
Der Verteidiger des Angeklagten, Peter-Michael Diestel hatte eine Schuld seines Mandanten von Beginn an bestritten. Dieser sei nach dem Krieg wegen seiner SS-Zugehörigkeit bereits in Polen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden, die er auch verbüßt habe.
Die Einstellung des Verfahrens wird binnen einer Woche rechtskräftig, wenn niemand Beschwerde einlegt, wie Gerichtssprecher Deutsch erläuterte.
Zuletzt hatte es in Detmold und Lüneburg Prozesse gegen ehemalige SS-Männer aus dem KZ Auschwitz gegeben: Das LG Detmold verurteilte einen früheren KZ-Wachmann wegen Beihilfe zum Mord in 170 000 Fällen zu fünf Jahren Haft (Urt. v. 17.6.2017, Az. 4 Ks 45 Js 3/13-9/15), das LG Lüneburg den als "Buchhalter von Auschwitz" bezeichneten 94-jährigen Oskar Gröning zu vier Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen. Zwei weitere Prozesse gegen ehemalige SS-Angehörige in Hessen und Kiel scheiterten daran, dass ein Beschuldigter starb und eine Beschuldigte ebenfalls nicht mehr verhandlungsfähig war.
tap/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
NS-Prozess gegen Hubert Zafke: . In: Legal Tribune Online, 12.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24471 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag