2/2: "Richtig wehtun, sonst ändert sich nie etwas"
Inklusive Zinsen und Schadensersatz, vermutlich geltend gemachte Anwaltskosten, sollen sich die zuerkannten Ansprüche laut Anwalt Ralf Höcker auf etwa 800.000 Euro belaufen. Die Summe setzt in jedem Fall Maßstäbe. Der vorherige Rekord wegen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch die Presse lag bei 400.000 Euro reinem Schadensersatz. Diese wurden 2009 der schwedischen Prinzessin Madeleine zugesprochen, nachdem in Klatschmedien über einen langen Zeitraum wiederholt unwahre Geschichten über angebliche Schwanger- und Liebschaften der Adligen publiziert worden waren.
Springer-Anwalt Jan Hegemann ist jedoch bemüht, die Summe zu relativieren: Die 635.000 Euro Schadensersatz seien ja überhaupt nur dann ein Rekord, wenn man die gegen Bild und Bild online verhängten Summen aufaddiere. Und wenn man die Summe auf den Preis pro Artikel herunterbreche, ergäben sich etwa für die Bild-Zeitung nur 16.750 Euro - da seien in der Vergangenheit schon deutlich höhere Anprüche zuerkannt worden, erklärte er bei Meedia.
Abfinden will man sich mit der Zahl freilich trotzdem nicht. Claas-Hendrik Soehring, Leiter Medienrecht der Axel Springer SE, kündigte an: "Wir werden auf jeden Fall in Berufung gehen. Denn es liegt weder im Interesse einer freien Presse noch der Öffentlichkeit, dass Medien irrwitzige Geldentschädigungen zahlen müssen, wenn sie über aufsehenerregende Strafprozesse gegen bekannte Persönlichkeiten berichten." Auch Höcker will für seinen Mandanten Rechtsmittel einlegen. Man sei mit der Entscheidung zwar sehr zufrieden, wolle aber dennoch "alles unternehmen, um die Summe in der zweiten Instanz zu erhöhen." Das Urteil müsse "Springer richtig wehtun, sonst erzielen wir keinen Abschreckungseffekt und es ändert sich nie etwas."
Wertungswidersprüche zu Madeleine-Urteil?
Bild selbst äußerte sich ebenfalls zu dem Verfahren, in dem "lediglich" 635.000 Euro von Kachelmanns "absurder" Forderung übrig geblieben seien. Die Online-Ausgabe der Zeitung zitiert Passagen aus dem Urteil, denen zufolge sie nicht "hinsichtlich der rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverletzungen vorsätzlich und mit Schädigungsabsicht gehandelt" und sich auch nicht "subjektiv rücksichtslos der Grenze zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit angenähert" habe. Vielmehr könne ihr nur der Vorwurf gemacht werden, "auf einem außerordentlich schwierigen Gebiet der Abwägung der widerstreitenden Grundpositionen die rechtliche Grenzziehung fahrlässig verfehlt zu haben."
Diese Zitate klingen, verglichen mit der Höhe des gewährten Schadensersatzes, recht zurückhaltend; allerdings ist unklar, in welchem Kontext die von Bild zitierten Passagen im Volltext des Urteils auftauchen. Kritisch weist Bild auch auf angebliche Wertungswidersprüche zu der Entscheidung im Falle der Prinzessin Madeleine hin. Damals seien (nur) 400.000 Euro bewilligt worden, obwohl es sich um "52 Fotomontagen sowie eine Vielzahl frei erfundener Falschbehauptungen über drei angebliche Verlobungen, 19 Hochzeiten, vier Schwangerschaften, zwei nicht bestehende Liebesverhältnisse und eine angebliche Alkoholsucht" gehandelt habe. Bild hingegen habe einen realen Prozess von großem öffentlichen Interesse begleitet, der auch in sämtliche anderen deutschen Medien Einzug gefunden habe.
Der ehemalige Wettermoderator war 2011 vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden.
Mit Materialien von dpa
Constantin Baron van Lijnden, Rekordklage gegen Bild und Bild online: . In: Legal Tribune Online, 30.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17048 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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