Der Springer-Verlag ist wegen der Berichterstattung der Bild über Jörg Kachelmann zur Zahlung von rund 800.000 Euro verurteilt worden. Das ist ein Rekord im Presserecht - doch beide Seiten wollen in Berufung gehen.
"Herr Kachelmann musste die schlimmste Hetzkampagne der deutschen Presserechtsgeschichte über sich ergehen lassen", so der Anwalt des Fernsehmoderators, Ralf Höcker. "Sein Ruf wurde durch Bild & Co. vollständig ruiniert. Dieses Urteil ist die Quittung. Es wird hoffentlich abschreckende Wirkung auf den Boulevard haben."
Kachelmann hatte vor dem Landgericht (LG) Köln ursprünglich insgesamt 2,25 Millionen Euro Entschädigung vom Springer-Konzern wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch die Bild-Zeitung (Print und Online) verlangt. Die Kammer des Landgerichts hatte Anfang des Jahres deutlich gemacht, dass sie in 26 Fällen bei Print und in 21 Fällen bei Online eine derartige Persönlichkeitsrechtsverletzungen für möglich hält. Sie hatte aber auch durchblicken lassen, dass Kachelmann nicht mit der von ihm geforderten Summe rechnen kann.
Mit dem Burda-Verlag, welcher u.a. den Focus herausgibt, hatte Kachelmann sich in einem gesonderten Verfahren geeinigt. Springer hingegen wollte auf einen Vergleichsvorschlag des Gerichts über 500.000 Euro nicht eingehen - somit folgten am Mittwoch die Urteile gegen die Axel Springer SE und die Bild GmbH & Co KG, welche die Inhalte der Bild-Zeitung respektive Bild online verantworten (Urt. v. 30.09.2015, Az. 28 O 2/14, 28 O 7/14).
Keine abgesprochene Kampagne gegen Kachelmann
Bild online muss demnach 300.000 Euro wegen 18 Fällen rechtswidriger Berichterstattung zahlen, die Printausgabe 335.000 Euro wegen 20 Fällen. Einige der von Kachelmann beanstandeten Artikel fanden in die Schadensberechnung keinen Eingang, da er hinsichtlich dieser zuvor keine Unterlassungsansprüche geltend gemacht hatte. Auch der Nachweis, dass Bild zusammen mit weiteren Medien eine gezielte Kampagne gegen ihn betrieben hätte, sei dem ehemaligen Wettermoderator nicht gelungen, fanden die Kölner Richter.
Doch auch ohne dies sei die Reichweite von Bild und Bild online gewaltig und es stehe zu erwarten, dass Kachelmann "durch die teilweise reißerische Berichterstattung auch in Zukunft als 'frauenverachtender und gewaltbereiter' Mensch stigmatisiert und dadurch in seinem Berufs- und Privatleben massiv beeinträchtigt bleiben" werde. Diverse Details etwa zu seinen sexuellen Vorlieben sowie im Wortlaut wiedergegebene SMS und Fotos von Hofgängen in der JVA hätten kein berechtigtes Informationsinteresse bedient, sondern seien "allein zur Befriedigung der Neugier der Öffentlichkeit" erfolgt.
Constantin Baron van Lijnden, Rekordklage gegen Bild und Bild online: . In: Legal Tribune Online, 30.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17048 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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