"Alles für Deutschland": Worum es im Straf­pro­zess gegen Björn Höcke geht

18.04.2024

Der Thüringer AfD-Landeschef nahm am Donnerstag im LG Halle auf der Anklagebank Platz. Ihm wird vorgeworfen, vorsätzlich eine verbotene SA-Parole verwendet zu haben. Um welche Taten es geht, worauf es ankommt und was Höcke potenziell droht.

Vor dem Landgericht (LG) Halle hat am Donnerstag der erste Verhandlungstag im Prozess gegen AfD-Politiker Björn Höcke begonnen. Ihm wird vorgeworfen die verbotene Losung der Sturmabteilung (SA) der NSDAP "Alles für Deutschland!" im Mai 2021 in Merseburg bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung verwendet zu haben. Das könnte strafbar sein als "öffentliches Verwenden von Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation" gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 4 und § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB).

In der vergangenen Woche hatte das LG diese Anklage mit einer weiteren verbunden: Höcke hat die verbotene SA-Losung nämlich auch bei einer weiteren Veranstaltung der AfD in Gera im Dezember 2023 verwendet – wenn auch nur teilweise aus eigenem Mund: Auf einem Video ist zu sehen, wie er "Alles für..." ruft und das Publikum mit "Deutschland" vervollständigt. Kontext war, dass Höcke hier auf die gegen ihn wegen der Äußerung in Merseberg erhobenen  Anklage sprach. 

Am Mittwoch, einen Tag vor Prozessbeginn, wurde der Umfang des Tatvorwurfs nun doch reduziert: Die Kammer beschloss, die Anklagepunkte zum Vorfall in Gera wieder von dem Fall in Merseburg abzutrennen, sagte Gerichtssprecherin Adina Kessler-Jensch am Donnerstagmorgen in Halle. Grund dafür sei, dass die Verteidiger von Höcke kurzfristig gewechselt haben. Die neue Verteidigung von Höcke habe noch keine Einsicht in die Akten zum Vorfall in Gera und deshalb nicht ausreichend Zeit gehabt, sich auf die Verhandlung am Donnerstag vorzubereiten. "Dieser Teil des Vorwurfs wird also nicht Gegenstand des heutigen Hauptverhandlungstages sein", sagte Kessler-Jensch. Zunächst geht es nun also erstmal nur um die Rede in Merseburg. Höcke – ehemaliger Geschichtslehrer – hatte zu seiner Verteidigung behauptet, nicht gewusst zu haben, was die Parole bedeutet.

Handelte Höcke vorsätzlich oder nicht?

Wie realistisch ist eine Verurteilung Höckes? Damit hat sich Ex-Bundesrichter Prof. Dr. Thomas Fischer in seiner LTO-Kolumne "Eine Frage an Thomas Fischer" bereits im Herbst 2023 ausführlich befasst. Sein Schluss: Es wird vor allem auf den Vorsatz ankommen.

Die genannte Parole war die Leitparole der nationalsozialistischen "SA" und sei daher von § 86a Abs. 1 i.V.m. § 86 Abs. 1 StGB erfasst. Die Strafbarkeit des Verwendens dieser Kennzeichen beruhe auf einem Konzept des Tabuisierens, das eine Veralltäglichung verhindern will. Durchgreifende verfassungsrechtliche Einwände dagegen bestehen laut Fischer nicht.

Voraussetzung einer Bestrafung nach § 86a Abs. 1 StGB sei aber, dass der Täter das Wesen des von ihm verwendeten Kennzeichens kennt oder billigend in Kauf nimmt. Ob die Angabe eines Oberstudienrats für Geschichte und Vorsitzenden einer Landtagsfraktion, er habe die Bedeutung der von ihm verwendeten Parole nicht gekannt, glaubhaft ist, sei eine Tatfrage. Davon muss das LG Halle nach Abschluss der insgesamt für vier Tage angesetzten Hauptverhandlung überzeugt sein.

Konsequenzen für die Thüringer Landtagswahl?

Bei den Landtagswahlen in Thüringen am 1. September will Höcke als AfD-Spitzenkandidat ins Rennen gehen. Ob das auch so kommen wird, ist durch den Strafprozess in Halle nicht endgültig klar. Denn ihm droht im Fall einer Verurteilung als strafrechtliche Nebenfolge auch der Verlust der Wählbarkeit. Nach §§ 92a, 45 StGB kann das Gericht unter anderem die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen, wenn es eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wegen §§ 86a, 86 StGB verhängt. Er würde dann sein Landtagsmandat verlieren (§ 45 Abs. 3 StGB) und könnte nicht für ein öffentliches Amt kandidieren. Noch ist offen, ob das Gericht diese Vorschriften in Betracht zieht.

Der erste Verhandlungstag begann am Donnerstag zäh: viele Unterbrechungen. Bis zum Mittag kam es noch nicht zur Verlesung der Anklage. Über den Verhandlungstag wird LTO im Laufe des Tages berichten. Danach sind drei weitere Verhandlungstage terminiert.

cho/LTO-Redaktion mit Material der dpa

Zitiervorschlag

"Alles für Deutschland": . In: Legal Tribune Online, 18.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54360 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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