LG Gießen zur Werbung für Schwangerschaftsabbruch: Beru­fung von Ärztin Hänel abge­wiesen

12.10.2018

Die Ärtzin Kristina Hänel bleibt auch in zweiter Instanz erfolglos. Ihre Berufung gegen das Urteil der Erstinstanz, die wegen Werbung für Schwangerschaftsabbrüche eine Geldstrafe in Höhe von 6.000 Euro verhängte, wies das LG Gießen ab.

Das Landgericht (LG) Gießen wies am Freitag die Berufung der Ärztin Kristina Hänel im Streit um eine Verurteilung nach dem § 219a Strafgesetzbuch (StGB) ab (Urt. v. 12.10.2018, Az. 3 Ns - 406 Js 15031/15). Die Allgemeinmedizinerin legte das Rechtsmittel ein, nachdem das Amtsgericht Gießen sie zu einer Geldstrafe in Höhe von 6.000 Euro verurteilt hatte.

Hänel hat nach Überzeugung der Erstinstanz auf ihrer Website für Schwangschaftsabbrüche geworben. Dies ist aber nach geltender Rechtslage gemäß des umstrittenen § 219a StGB verboten, welcher das öffentliche Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen verbietet.

Dieser Auffassung schlossen sich die Richter des LG nun an und bestätigten das Urteil des AG, nachdem eine Entscheidung des LG aufgrund des enormen Medieninteresses zunächst verschoben werden musste. Durch einen mittlerweile entfernten Link auf ihrer Homepage, der zu Informationen rund um Möglichkeiten und Risiken zum Schwangerschaftsabbruch führte und unter dem Begriff "Schwangerschaftsabbruch" kategorisiert war, habe sich die Ärztin entsprechend der Norm strafbar gemacht.

In der Verhandlung vor dem LG räumte der Anwalt Hänels zwar ein, die Ärztin habe auf ihrer Internetseite tatsächlich öffentlich Schwangerschaftsabbrüche angeboten. Aus Sicht der Verteidigung sei das Verbot aber verfassungswidrig, da es die Berufsfreiheit von Ärzten und das Informationsrecht der schwangeren Frauen verletze.

Dieser Auffassung folgte die Strafkammer nicht. Zwar ist sich das Gericht der politischen Brisanz des umstrittenen Verbotes durchaus bewusst, wie es selbst deutlich in der Verhandlung erkennen ließ. So sprach der Vorsitzende Richter Johannes Nink von einer "zwiespältigen Gesetzeslage". Das LG betonte aber ebenso ausdrücklich, dass es in einem Rechtsstaat nicht Aufgabe der Gerichte sei, eigenes politisches Ermessen an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen. Für eine Neuregelung sei der Gesetzgeber gefragt.

Das Politikum § 219a StGB

Tatsächlich ist die umgangssprachlich auch als Abtreibungsparagraf in der Öffentlichkeit bekannt gewordene Norm politisch hoch umstritten. Die Große Koalition kann sich nicht einigen, ob und ggf. wie der § 219a StGB geändert werden soll.

Während die SPD dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht, scheint die Union mit der jetzigen Gesetzeslage zufrieden. So hält die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, "eine Änderung des § 219 a StGB nicht für angebracht". Auch zwei katholische Frauenorganisationen sprachen sich für den Erhalt der Regelung aus. Nur in extremen Notlagen sollten schwangere Frauen Zugang zu Informationen über einen medizinisch sicheren Abbruch haben.

Ganz anderer Meinung ist Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin des deutschen Juristenbundes. Sie sieht den Gesetzgeber in der Pflicht: "Die Kriminalisierung von sachlichen Informationen durch Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit. Der Handlungsbedarf für die Gesetzgebung ist unverändert groß. Die Bundesregierung ist jetzt gefragt, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen."

Hänel selbst forderte im Anschluss an das Urteil vor Journalisten eine Gesetzesänderung. Mit der Abweisung ihrer Berufung habe sie indes gerechnet. Sie sagte: "Wir sind einen Schritt weiter auf dem Weg zur juristischen Klärung." Die Kriminalisierung der Ärzte müsse aufhören.

tik/dpa-Redaktion

mit Materialien von dpa

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LG Gießen zur Werbung für Schwangerschaftsabbruch: . In: Legal Tribune Online, 12.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31495 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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