LG Frankfurt a.M. zur persönlichen Anrede beim Fahrkartenkauf: Nicht-binäre Person muss sich nicht auf "Herr" oder "Frau"fest­legen

03.12.2020

Eine Person, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlt, sich beim Fahrkartenkauf aber zwischen den beiden obligatorischen Anreden entscheiden muss, ist in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt, so das LG.

Eine Person, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnet (nicht-binär), kann beim Fahrkartenkauf eine geschlechtsneutrale Ansprache verlangen. Die obligatorische Angabe von "Herr" oder "Frau" verletze Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, wie aus einem Urteil des Landgerichts (LG) Frankfurt am Main vom Donnerstag hervor geht (Urt. v. 03.12.2020, Az. 2-13 O 131/20).

Im konkreten Fall ging es um die Buchung einer Bahnfahrkarte über das Internet, bei der es beim Kauf und der Registrierung nur die Auswahl "Herr" oder "Frau" gab. Weder war es möglich, eine geschlechtsneutrale Anrede zu wählen, noch die Auswahl ganz offen zu lassen. Auch die spätere Kommunikation fand mit diesen Anredeformen statt. Die dort als "Herr" angesprochene Person des nicht-binären Geschlechts klagte daraufhin wegen Diskriminierung.

LG: Unternehmen kann andere Grußformel nutzen

Das LG Frankfurt am Main gab der Klage teilweise statt, weil die klagende Person nicht gezwungen werden könne, eine der beiden vorgegebenen Anreden anzugeben. Sie dürfe verlangen, geschlechtsneutral angesprochen zu werden.

Durch die für den Kauf zwingende Festlegung auf eine Anrede als "Frau" oder "Herr" werde die klagende Person in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, das auch die geschlechtliche Identität schützt, wie die Kammer mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entschied. Für die Nutzung der Angebote sei die Angabe des Geschlechts auch völlig irrelevant. Das beklagte Unternehmen könne auf andere Grußformeln wie "Guten Tag" zurückgreifen oder auf eine geschlechtsspezifische Ansprache ganz verzichten, befand das Gericht.

Einen Anspruch auf Entschädigung wegen der Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verneinte das Gericht aber, da die Persönlichkeitsverletzung nicht so schwerwiegend und auch nicht böswillig erfolgt sei, sondern nur der "Reflex massenhafter Abwicklung standardisierter Vorgänge" sei.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main angefochten werden.

mgö/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

LG Frankfurt a.M. zur persönlichen Anrede beim Fahrkartenkauf: . In: Legal Tribune Online, 03.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43624 (abgerufen am: 25.11.2024 )

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