Der neu aufgerollte Strafprozess gegen die Raser vom Berliner Ku'damm wird vorerst ausgesetzt. Die jetzt zuständige Kammer habe sich vor der Hauptverhandlung zu stark auf das vom BGH aufgehobene Mord-Urteil gestützt.
Im Prozess gegen die beiden Berliner Ku'damm-Raser vor dem Landgericht (LG) Berlin sind drei Richter der mit dem Fall befassten Schwurgerichtskammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden. Das gab das Gericht am Dienstag bekannt (Beschl. v. 27.08.2018, Az. 540 Ks 4/18). Der Prozess wird nun erst einmal ausgesetzt und muss vor einer anderen Kammer neu aufgerollt werden.
Die 35. Kammer des LG hatte die beiden Raser wegen eines Rennens auf dem Berliner Kurfürstendamm, bei dem ein 69-jähriger Rentner zu Tode gekommen war, im Februar 2017 in einer viel beachteten Entscheidung wegen Mordes verurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob die Entscheidung aber in der Revision wieder auf, die Karlsruher Richter hatten Bedenken wegen der Ausführungen des Berliner Gerichts zum Tötungsvorsatz der Angeklagten. Sie verwiesen die Sache wieder an das LG zurück, wo nun eine andere Kammer neu entscheiden muss.
Der Verteidiger des Angeklagten Marvin N. hatte das Ablehnungsgesuch bereits am am 14. August, dem ersten Tag der neuen Hauptverhandlung vor der nun zuständigen 40. Kammer eingereicht. Am Dienstag wurde ihm entsprochen. Die Entscheidung trafen nach Angaben des LG Berlin gemäß dem Geschäftsplan ein Vorsitzender und zwei Beisitzer als Vertreter der abgelehnten Richter. Die Kammer setzt sich als Schwurgerichtskammer gem. § 76 Abs. 1 und 2 S. 2 aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen zusammen.
In seinem Gesuch, dem sich auch der andere Angeklagte Hamdi H. anschloss, bezog sich der Verteidiger auf eine Entscheidung der 40. Kammer vor Beginn der Hauptverhandlung, als es um die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft gegen die beiden Angeklagten ging. Die Richter, die außerhalb der Hauptverhandlung ohne die Mitwirkung der Schöffen entscheiden, bestätigten die U-Haft. Dabei nahmen sie offenbar zu starken Bezug auf die Ausführungen der 35. Strafkammer, deren Urteil vom BGH aufgehoben worden war.
Zu viele Anleihen aus dem aufgehobenen Mord-Urteil
Die Beteiligung von Richtern an Entscheidungen im Vorfeld der Hauptverhandlung sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zwar grundsätzlich nicht geeignet, "Misstrauen hinsichtlich der Unparteilichkeit der an der Entscheidung beteiligten Richter zu wecken", so das LG. Doch ließen hier "einzelne Formulierungen und Argumente in der Begründung des Haftfortdauerbeschlusses der Richter diesen Rückschluss ausnahmsweise zu".
Dabei betonte man, dass nicht wirklich die Annahme bestehe, die drei Kollegen seien befangen. Dies verlangt die Strafprozessordnung (StPO) in der maßgeblichen Vorschrift des § 24 Abs. 2 aber auch gar nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob es Grund zur Besorgnis ob einer möglichen Befangenheit gibt. Den sah man hier offenbar gegeben.
Die Angeklagten, so führte das LG aus, hätten darauf vertrauen dürfen, dass die aufgehobene Entscheidung der 35. Kammer nicht mehr als Grundlage für den neuen Prozess herangezogen werde. In ihrer Haftentscheidung hätten die abgelehnten Richter allerdings eben dies getan und damit den Eindruck erweckt, man habe sich "hinsichtlich des maßgeblichen Sachverhaltes und dessen Beurteilung bereits (...) festgelegt".
Das Gericht wies abschließend darauf hin, dass mit dem erfolgreichen Ablehnungsgesuch und der Aussetzung der Hauptverhandlung nun nochmal eine gänzlich neue Verhandlung vor einer anderen Kammer beginne. Sobald diese bestimmt sei, werde sie auch neue Verhandlungstermine festsetzen. Die Angeklagten bleiben bis dahin in Untersuchungshaft.
mam/LTO-Redaktion
Befangenheitsantrag erfolgreich: . In: Legal Tribune Online, 28.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30599 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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