EGMR zur Religionsfreiheit: Kopf­tuch­verbot für Zivi­listin men­schen­rechts­widrig

18.09.2018

Im Strafprozess um die Tötung ihres Bruders wollte eine Frau als Nebenklägerin am Prozess teilnehmen. Mit Kopftuch durfte sie aber nicht in den Gerichtssaal. Ein unzulässiger Eingriff in die Religionsfreiheit, entschied nun der EGMR.

Über die Zulässigkeit eines Kopftuchverbotes wird seit Jahren diskutiert. Der Streit bemüht und bemühte mittlerweile unzählige Gerichte, zuletzt das Berliner Arbeitsgericht, welches ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen zuließ. Den Sachverhalten ist in aller Regel gemein, dass das Kopftuchverbot an Staatsbedienstete gerichtet ist, die das staatliche Neutralitätsgebot beachten müssen.

Anders liegt ein Fall, den nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied (Urt. v. 18.09.2018, Beschw.-Nr.: 3413/09). Eine Frau wollte als Nebenklägerin an dem Strafprozess um die Tötung ihres Bruders teilnehmen. Am Tag der Verhandlung wurde ihr jedoch auf richterliche Anordnung untersagt, den Gerichtssaal mit ihrem Kopftuch zu betreten. Sie weigerte sich und bemühte dagegen ohne Erfolg die nationalen Gerichte. Wie der EGMR nun entschied, verletzte Belgien dadurch die Religionsfreiheit der Frau, welche gemäß Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt sei. Als Zivilistin sei sie keine Repräsentantin des Staates und als solche auch nicht an das staatliche Neutralitätsgebot gebunden.

Die Begründung des belgischen Gerichtes überzeugte den EGMR nicht. Dieses hatte noch argumentiert, durch das Kopftuchverbot lediglich die öffentliche Ordnung wahren zu wollen. Denn Kopfbedeckungen seien geeignet, die Autorität des Gerichtes zu untergraben, außerdem stellten sie einen Akt der Respektlosigkeit dar. Das sah der EGMR anders. Die Richter in Straßburg gaben zu, dass das Ziel der Wahrung der öffentlichen Ordnung zwar ein legitimes sei. Das Kopftuch der Frau begründe aber weder einen Akt der Respektlosigkeit noch einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung. Das Kopftuch sei nicht einmal geeignet, eine solche Gefahr überhaupt zu begründen, so der EGMR weiter.

Der Streit, welcher 2007 begann, ist damit beigelegt. Die Frau erhält nun ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro.

tik/LTO-Redaktion

mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

EGMR zur Religionsfreiheit: . In: Legal Tribune Online, 18.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30979 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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