Bundesjustizministerin weist Rufe nach höheren Strafen zurück: Lam­b­recht gegen Straf­rechts­ver­schär­fung bei Kin­derpor­no­grafie

10.06.2020

Nach einem Kindesmissbrauchsfall in NRW werden die Rufe nach einem höheren Strafrahmen laut.  Bundesjustizministerin Lambrecht weist Rufe nach höheren Strafen zurück und will auf bessere Ermittlungen auch in sozialen Netzwerken setzen.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat Forderungen nach Verschärfung des Strafrahmens bei Kinderpornografie zurückgewiesen. Der pauschale Ruf nach einer abstrakten Strafrechtsverschärfung bei Kinderpornografie führe nicht weiter, sagte sie der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). Unter den Straftatbestand Kinderpornografie falle auch schon das einmalige Posten eines kinderpornografischen Comics. "Wenn wir dieses einmalige Verhalten als Verbrechen einstufen - das bedeutet eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr - gäbe es keine Möglichkeit, hierauf angemessen zu reagieren", so Lambrecht.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte vor dem Hintergrund des Missbrauchsfalls von Münster nach einer Debatte ihres Parteipräsidiums gefordert, Kindesmissbrauch in jedem Fall als Verbrechen und nicht mehr nur als Vergehen zu ahnden, damit stets eine Mindeststrafe von einem Jahr drohe. Zudem müsse der Strafrahmen bei Besitz oder Beschaffung von kinderpornografischem Material erhöht werden.

Lambrecht: Hohe Strafen bei Kindesmissbrauch möglich

Dazu sagte Lambrecht, dass bei Kindesmissbrauch eines der höchsten Strafmaße überhaupt möglich sei: bis zu fünfzehn Jahren plus Sicherheitsverwahrung. Und dies stehe für die Bundesjustizministerin nicht nur auf dem Papier. "Beispielsweise wurde im Fall Lügde dieser Strafrahmen fast ausgeschöpft". Viel wichtiger sei es, den Ermittlern mehr Möglichkeiten zu geben und sie gut auszustatten. "Dass das wirkt, zeigt sich in NRW."

Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza brachte direkt eine umfassende Reform ins Spiel. Darin soll es unter anderem auch darum gehen, die Verjährung in Fällen des Kindesmissbrauchs abzuschaffen. Betroffene entschieden sich häufig erst nach vielen Jahren zu einer Anzeige, da könne die Verjährung durchaus einer Strafverfolgung im Wege stehen. "Gleichwohl muss man immer im Blick behalten, dass ein solcher Vorschlag in das System der Verjährungsvorschriften gut eingepasst werden muss."

Für die Bundesjustizministerin liegt der Fokus aber erstmal auf der schnellstmöglichen Verabschiedung einer Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG), die dem Bundestag bereits vorliegt. "Damit werden soziale Netzwerke verpflichtet, nach Hinweisen auf verdächtige Bilder und Filme diese nicht nur wie bisher zu löschen, sondern sie zusätzlich an eine neue Zentralstelle beim Bundeskriminalamt zu melden", sagte sie. Dem BKA würden auch die IP-Adressen und Port-Nummern mitgeteilt, damit die Urheber schnell ermittelt werden könnten. Ein zweiter vorliegender Gesetzentwurf sorge für einfachere Meldewege, damit User die Plattformen schneller auf verdächtige Inhalte aufmerksam machen könnten.

Europäische Strategie im Kampf gegen Kinderpornographie?

Die EU-Kommission will den europaweiten Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch stärken. Grenzübergreifende Straftaten müssten gemeinsam verfolgt werden, sagte Innenkommissarin Ylva Johansson am Dienstag bei einer Online-Veranstaltung. Sie kündigte eine europäische Strategie dazu an.

Die Meldungen von kinderpornografischem Online-Material in Europa seien von 23.000 im Jahr 2010 auf 800.000 im Jahr 2019 gestiegen. Weltweit hätten die gemeldeten Fälle von einer Million auf 17 Millionen zugelegt. Während der Corona-Krise sei die Zahl der Fälle erneut deutlich nach oben gegangen. Fast 90 Prozent der Internetseiten würden in Europa gehostet - vor allem in den Niederlanden, sagte Johansson.

Johansson erklärte, für eine Kooperation bei der Strafverfolgung über Grenzen hinweg brauche die Polizei mehr Training und Technologie. Große Internetfirmen müssten in die Pflicht genommen werden.

Am Wochenende war ein Fall des schweren sexuellen Missbrauchs mehrerer Kinder in Münster bekannt geworden. Der 27 Jahre alte Hauptverdächtige war wegen Kinderpornografiebesitzes zweifach vorbestraft.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

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Bundesjustizministerin weist Rufe nach höheren Strafen zurück: . In: Legal Tribune Online, 10.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41860 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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