LG Berlin verhängt Freiheitsstrafen: Töd­liche "Kur zur Teu­fels­au­s­t­rei­bung"

30.08.2021

Weil sie keine Kinder bekommen konnte, wurde eine junge Frau von ihrer Familie einer religiösen Behandlung unterzogen. Dazu wurde ihr tagelang Salzwasser eingeflößt. Später verstarb sie im Krankenhaus. Die Familie wurde nun verurteilt.

Nach dem Tod einer 22-Jährigen durch eine "Salzwasserkur zur Teufelsaustreibung" sind drei Familienmitglieder und ein islamischer Heiler vom Landgericht in Berlin* (LG) verurteilt worden (Urt. v. 30.8.2021, Az. 521 Ks 3/20). Der Vorwurf, dass die Frau einer religiösen "Teufelsaustreibung" zum Opfer fiel, habe sich leider bestätigt, sagte die Vorsitzende Richterin bei der Verkündgung. Wegen Kinderlosigkeit sei der Frau eine Woche lang Salzwasser verabreicht worden.

Die drei aus dem Libanon stammenden Familienmitglieder hatten nach Gerichtsangaben im November 2015 beschlossen, die 22-Jährige wegen Kinderlosigkeit einer religiösen Behandlung zu unterziehen. Auf Rat des angeklagten Hodschas seien ihr über eine Woche hinweg täglich eineinhalb Liter mit Kochsalz angereichertes Wasser verabreicht worden. Begleitend verlas der islamische Heiler unter anderem den Koran.

Bereits nach dem ersten Tag sei die junge Frau erheblich geschwächt gewesen, so das Gericht. Ihr Ehemann und ihre Schwiegereltern hätten erkannt, dass es ihr von Tag zu Tag schlechter ging. "Sie hörten aber nicht auf", heißt es weiter im Urteil. Die anfängliche Einwilligung der 22-Jährigen, bei der Salzwasserkurz mitzumachen, habe es bereits am zweiten Tag nicht mehr gegeben.

Geständnisse der Angeklagten

Gegen Ende des achtmonatigen Prozesses hatten die Angeklagten Geständnisse abgelegt. Die Staatsanwaltschaft hatte Strafen von bis zu fünf Jahren Haft gefordert. Die Verteidiger plädierten auf Bewährungsstrafen beziehungsweise Freispruch für den Hodscha.

Gegen den Ehemann des Opfers verhängte das LG am Montag eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und acht Monaten. Der 36-Jährige und seine mitangeklagten Eltern wurden der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gesprochen. Die 57-jährige Angeklagte soll für zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Ihr 59-jähriger Mann erhielt zwei Jahre Haft auf Bewährung. Im Fall des 50-jährigen Hodschas, also des angeblichen Heilers, entschied das Gericht auf fahrlässige Tötung und verhängte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Zudem wurde ihm die Zahlung von 1.500 Euro auferlegt.

Das Gericht stellte abschließend klar, dass die Kammer keine religiöse Einstellung oder ein bestimmtes Frauenbild verurteilt habe. Es sei lediglich darum gegangen, dass die Behandlung nicht abgebrochen wurde, obwohl es der Frau sichtbar immer schlechter ging.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

*Gericht korrigiert am Tag der Veröffentlichung, 16.54 Uhr.

ast/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LG Berlin verhängt Freiheitsstrafen: . In: Legal Tribune Online, 30.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45869 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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