Auf der gestrigen Justizministerkonferenz wurden rechtspolitische Entwicklungen diskutiert und Maßnahmen beschlossen. Dabei ging es unter anderem um Kinderrechte, Internetkriminalität und den fliegenden Gerichtsstand.
Unter dem Vorsitz Brandenburgs fand am Donnerstag die Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder in Berlin statt. Sie dient der Koordination und Abstimmung der justiz- und rechtspolitischen Vorhaben der Länder. Die in der Justizministerkonferenz gefassten Beschlüsse haben zwar keinen Rechtssetzungscharakter, von ihnen können aber maßgebliche Impulse für die rechtspolitische Entwicklung in Deutschland und Europa ausgehen.
Hassbotschaften und illegaler Waffenhandel im Internet sollen nach dem Willen der Länder-Justizminister schärfer unterbunden werden. Für soziale Netzwerke wie Facebook solle eine Pflicht geprüft werden, die Zahl der gelöschten Hasskommentare regelmäßig öffentlich zu machen, beschlossen die Minister am Donnerstag bei einer Konferenz in Berlin. Weltweit tätige Plattformen müssten Ansprechpartner im Inland haben und schneller tätig werden.
Nach Vorstellung von Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) müsse binnen 24 Stunden entschieden sein, ob ein Beitrag gesperrt wird. Nicht-Handeln der Betreiber müsse Konsequenzen haben, wobei für systematisches Versagen bis zu eine Million Euro Bußgeld denkbar wären. Maas machte deutlich, dass er mit bisherigen Bemühungen mehrerer Netzwerke für ein schnelleres Löschen unzufrieden ist. Ohne wesentliche Verbesserungen wären gesetzliche Maßnahmen zu prüfen. Wegen der großen politischen Übereinstimmung wären mögliche Beschlüsse hierzu auch noch im Bundestagswahlkampf 2017 vorstellbar.
Strafbarkeitslücken im Internet?
Handlungsbedarf sahen die Justizminister auch im Bereich des "Darknet", einem auf Anonymität basierenden Teil des Internets, in dem u.a. Drogen- und Waffenhandel florieren. Um den entgegenzuwirken, seien Änderungen des Waffengesetzes zu prüfen. NRW-Ressortchef Thomas Kutschaty (SPD) sagte, das Darknet habe sich zum Onlineshop für Kriminelle entwickelt. Dort habe sich auch der Amokläufer von München seine Waffe beschafft. Schon das Anbieten solcher Gegenstände solle daher unter Strafe gestellt werden.
Auch über das Darknet hinaus sollten etwaige Strafbarkeitlslücken im Bereich der Internetkriminalität ausfindig gemacht und geschlossen werden, "ohne dabei das Ultima-Ratio-Prinzip des Strafrechts aus den Augen zu verlieren". Der Deutsche Anwaltverein mahnte generell mit Blick auf kriminelle Aktivitäten im Internet: "Kernproblem bei der Bekämpfung von Cyberkriminalität sind nicht fehlende Normen, sondern die mangelnde personelle und technische IT-Ausstattung der Ermittlungsbehörden."
Musterklagen für Verbraucher, kein Ländervergleich für Richtersold
Die Minister dringen außerdem auf neue Klagemöglichkeiten bei Verbraucherschäden wie etwa im VW-Skandal. Konkret geht es bei dem Antrag von NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) um sogenannte Musterfeststellungsklagen, wie die Rheinische Post (Donnerstag) berichtet.
Betroffene Verbraucher sollen die Möglichkeit bekommen, sich in ein Klageregister einzutragen. Sie würden so von einem Musterprozess profitieren. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will einen Entwurf für solche Musterfeststellungsklagen noch in diesem Jahr in die Abstimmung in der Regierung geben. Damit sollen Verbraucherverbände, Industrie- und Handelskammern (IHK) sowie Handwerkskammern in Fällen mit Tausenden Betroffenen eine Grundsatzklärung des Sachverhalts erwirken können. Diese könnte dann Basis für anschließende Einzelentscheidungen sein. Geprüft werden soll zudem auch die Ausweitung der Kronzeugenregelung in Kartellstrafprozessen auf weitere Straftatbestände, etwa den § 298 Strafgesetzbuch.
Keine zukünftigen Maßnahmen soll es nach den Ministern hingegen bei der Richterbesoldung geben. Lediglich ehrenamtliche (Laien-)Richter sollen für diese Tätigkeit künftig einfacher von ihrer regulären Arbeit freigestellt werden. Ein regelmäßiger Ländervergleich zur Entwicklung der Besoldung von Berufsrichtern soll nach dem Willen der Justizminister hingegen nicht eingeführt werden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit seinen Entscheidungen vom 5. Mai 2015 und 17. November 2015 verbindliche Vorgaben für eine verfassungsgemäße Besoldung aufgestellt.
Scharfe Kritik an diesem Beschluss übt der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Jens Gnisa. "Die Justizminister ruhen sich offenbar auf dem Urteil des BVerfG aus." Er befürchtet, dass manche Bundesländer im Wettbewerb um die besten Nachwuchsjuristen den Anschluss verlieren und fordert eine angemessene bundeseinheitliche Bezahlung. Denn die aktuelle Besoldungspolitik vieler Länder sei kurzsichtig und gefährde die hohe Qualität der Justiz, so Gnisa weiter.
Justizministerkonferenz der Länder: . In: Legal Tribune Online, 18.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21199 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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