Das hat es noch nicht gegeben: Die Bundeswehr soll ohne Auftrag der UN oder der Nato in den Irak geschickt werden. Linke und Grüne halten das für verfassungswidrig. Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes stützt nun diese Auffassung.
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen den von der Bundesregierung beschlossenen Irak-Einsatz der Bundeswehr. Die rechtliche Herleitung in dem von der Regierung vorgelegten Mandat habe "keine verfassungsrechtliche Grundlage", heißt es in einem 15-seitigen Gutachten.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gingen in einer ersten Bundestagsdebatte über die Mission nicht darauf ein, warben bei den Abgeordneten aber dennoch um Zustimmung. Linke und Grüne meinen, dass der Einsatz ein Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) wäre.
Anti-IS-Allianz kein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit
Die Bundesregierung will bis zu 100 Soldaten in die nordirakische Metropole Erbil schicken, um dort die kurdischen Streitkräfte für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auszubilden. Der Einsatz ist rechtlich umstritten, weil er nicht unter dem Dach der Vereinten Nationen oder der Nato stattfindet.
Das Grundgesetz lässt nach Artikel 24 aber nur Auslandseinsätze in solchen Systemen "gegenseitiger kollektiver Sicherheit" zu. Der Irak-Einsatz wird lediglich von einer losen Allianz von 60 Staaten getragen. Die Streitfrage ist also: Ist die Anti-IS-Allianz ein "System gegenseitiger kollektiver Sicherheit"?
Die Antwort des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags lautet ganz klar: Nein." Ad hoc-Koalitionen ("Coalitions of the Willing") stellen kein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit dar", heißt es in dem Gutachten, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über das zuerst Spiegel Online berichtete.
Allerdings könnte die Mission nach Meinung der Bundestags-Juristen mit Artikel 87a GG begründet werden. Der beschreibt den Verteidigungsfall. Dieser könne aber nur aus dem GG abgeleitet werden, wenn man Nothilfe zugunsten eines nicht-verbündeten Staates als "erweiterte Verteidigung" definiere.
Die Bundesregierung hat ganz bewusst Artikel 24 als Grundlage für ihren Mandatstext genommen, weil sie nicht den Verteidigungsfall ausrufen wollte.
Opposition könnte nicht vor dem BVerfG klagen
Der Bundestag stimmt Ende Januar über den Einsatz ab. Bei einem Ja ist eine Verfassungsklage der Opposition gegen den Einsatz trotz der Bedenken unwahrscheinlich.
Weil die beiden Fraktionen nur 20 Prozent der Bundestagsabgeordneten stellen, können sie kein Normenkontrollverfahren in Karlsruhe einleiten. Das müsste von 25 Prozent der Bundestagsabgeordneten unterstützt werden. Eine Organklage ist ebenfalls nicht zulässig, weil es nicht um die Rechte der Parlamentarier geht. Damit bleibt nur eine Verfassungsbeschwerde eines Betroffenen. Dafür käme eigentlich nur ein Bundeswehrsoldat in Frage.
"Wenn das so durch geht, dann wird das einfach gelebte Verfassungswidrigkeit sein", kritisiert die Fraktionsgeschäftsführerin Katja Keul. Linksfraktionschef Gregor Gysi schreckt auch vor dem Risiko zurück, dass eine Klage zu einer Ausweitung des Rechtsrahmens für Auslandseinsätze führen könnte. "Um dieser Gefahr zu entgehen, kann es möglicherweise ratsam sein, einen geeigneteren Fall für eine Klage zum Anlass zu nehmen", sagte er.
dpa/una/LTO-Redaktion
Gutachten zum Irak-Einsatz der Bundeswehr: . In: Legal Tribune Online, 15.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14388 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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