Ein Demo-Veranstalter wehrte sich gegen das präventive Verbot der Parole "From the river to the sea, Palestine will be free". Der VGH gab ihm Recht und kam zu einer anderen Bewertung als einige Staatsanwaltschaften und ein Amtsgericht.
Die Strafbarkeit der umstrittenen Aussage "From the river to the sea" sei nach einer summarischen Prüfung äußert zweifelhaft. Mit dieser Begründung wies der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) am Freitag eine Beschwerde der Stadt Frankfurt am Main zurück (Beschl. v. 22.03.2024, Az. 8 B 560/24).
Die Stadt hatte mit Verfügung vom Montag dem Veranstalter einer für Freitag geplanten Kundgebung mit dem Namen "From the river to the sea – Palestine will be free! Für ein freies Palästina für ALLE Menschen!" untersagt, die Parole zu verwenden. Gegen diese Beschränkung wendete er sich mit einem Antrag auf Eilrechtsschutz an das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt am Main. Dieses gab dem Mann am Donnerstag Recht und erklärte die Auflage der Stadt für rechtswidrig (Beschl. v. 21.03.2024, Az. 5 L 940/24.F).
Das VG begründete seine Entscheidung damit, dass in der Rechtsprechung noch nicht geklärt sei, ob das Rufen und Zeigen der Parole strafbar ist. Deshalb sei es auch ungeklärt, ob die Untersagung rechtmäßig ist. "Das Gericht sei sich zwar bewusst, dass die Parole von der Hamas genutzt werde. Allerdings habe sich der Antragsteller ausdrücklich für 'ein freies und friedliches Palästina für alle Menschen mit gleichen Rechten, egal welcher Religion oder Herkunft' ausgesprochen und sich damit von den Zielen der Hamas distanziert", schreibt das VG in einer am Donnerstag veröffentlichten Pressemitteilung.
VGH: "Befreiung" Palästinas auch friedlich möglich
Gegen diesen Beschluss legte die Stadt Frankfurt Beschwerde zum VGH ein, der die erstinstanzliche Entscheidung nun bestätigte. Auch der VGH sehe die Strafbarkeit der Parole "From the river to the sea" bei der in einem Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung als äußert zweifelhaft an, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts.
Es sei zwar zu berücksichtigen, "dass damit der Wunsch nach einem freien Palästina vom (Jordan) Fluss bis zum Mittelmeer – einschließlich des Gebiets Israels in seinen heutigen Grenzen – ausgedrückt werde. Die Parole sage aber nichts darüber aus, wie dieses – politisch hoch umstrittene – Ziel erreicht werden solle", so der VGH in der Mitteilung. Zur Zielerreichung seien verschiedene Mittel und Wege denkbar. So könne es auch beispielsweise durch völkerrechtliche Verträge, eine Zwei-Staaten-Lösung, einen einheitlichen Staat mit gleichen Bürgerrechten für Israelis und Palästinenser oder aber mittels des bewaffneten Kampfes erreicht werden.
Dabei komme es nicht darauf an, ob die alternativen Wege politisch realistisch seien. "Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Verwendung des Slogans durch den Antragsteller zwingend als Aufruf zu Gewalt und Terror gegen Israel zu verstehen sei, habe die Stadt Frankfurt am Main nicht vorgetragen und seien für das Gericht auch nicht ersichtlich", so der VGH in seiner Pressemitteilung.
VGH widerspricht mehreren Staatsanwaltschaften
Eine Strafbarkeit der Äußerung folge bei einer summarischen Prüfung weder aus dem Strafgesetzbuch noch aus dem Vereinsgesetz. Nach dem Vereinsverbot des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat (BMI) gegen die Vereinigung Hamas sei nach Auffassung des Senats des VGH nur die Verwendung der Parole im Kontext mit der verbotenen Vereinigung untersagt. "Ein vollständiges präventives Verbot der Äußerung der Parole rechtfertige das Vereinsverbot jedenfalls nicht", heißt es in der Pressemitteilung.
Am Donnerstag untersagte die Stadt Frankfurt dem Veranstalter außerdem die Teilnahme an der geplanten Kundgebung. Auch diese Verfügung erklärte das VG auf Antrag des Mannes am Freitag im wegen des Eilrechtsschutzes für rechtswidrig (Beschl. v. 22.03.2024, Az. 5 L 985/24). Es bestehe keine konkrete Gefahrenlage gem. § 15 Abs. 1 Hessisches Versammlungsfreiheitsgesetz. Dass die Parole keine Gefahr darstellt, habe nun bereits der VGH entschieden. Eine aktualisierte darüberhinausgehende Gefahrenprognose habe die Stadt Frankfurt nicht durchgeführt.
Mit seiner strafrechtlichen Würdigung vertritt der VGH eine andere Auffassung als einige Generalstaatsanwaltschaften in Deutschland; in Bayern, dem Saarland, Sachsen und Thüringen wird die Parole nach Behördenangaben konsequent geahndet. Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hatte die Eröffnung eines Verfahrens nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung jedoch abgelehnt, wohingegen das Amtsgericht Karlsruhe die Parole unter §§ 86 Abs. 2, 86a Nr. 1 Strafgesetzbuch subsumiert und damit begründet hatte, dass das BMI den Spruch als solchen der Hamas einstuft.
Die Entscheidung des VGH ist unanfechtbar.
hes/LTO-Redaktion
Hessischer VGH kassiert Demo-Auflagen: . In: Legal Tribune Online, 22.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54189 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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