Rot-Grün will Hamburger Polizeibefugnisse ändern: Aus "Gefah­ren­ge­biet" wird "Gefähr­li­cher Ort"

27.04.2016

Anfang 2014 war die Hansestadt in die Schlagzeilen geraten, als die Polizei nach schweren Krawallen über Tage fast ganze Stadtteile zu Gefahrengebieten erklärt hatte. Rot-Grün will dieses Vorgehen der Hamburger Polizei reformieren.

Die als verfassungswidrig eingestuften Gefahrengebiete in Hamburg gehören bald der Vergangenheit an. Knapp ein Jahr nach dem entsprechenden Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) haben sich Innen- und Justizbehörde der Hansestadt im Grundsatz auf eine Neuregelung verständigt. In Anlehnung an das bayerische Polizeigesetz soll die Polizei nach Angaben der Innenbehörde vom Mittwoch künftig statt Gefahrengebieten sogenannte gefährliche Orte definieren können. Dort wiederum dürfen Polizeibeamte dann die Identität einzelner Bürger feststellen und sie sogar durchsuchen, sofern "tatsächliche Anhaltspunkte dies erforderlich machen". Nicht mehr erlaubt ist dann jedoch eine quasi anlasslose Inaugenscheinnahme mitgeführter Dinge.

Neben der Neuregelung der Gefahrengebiete werden die eigentlich Ende Juni auslaufenden Waffenverbotszonen Reeperbahn und Hansaplatz um vier Jahre verlängert, erklärte die Innenbehörde. Dort könne die Polizei wie bisher Identitätsfeststellungen vornehmen und Personen sowie mitgeführte Sachen nach Waffen und gefährlichen Gegenständen durchsuchen. Wann die Neuregelung zu den Gefahrengebieten in Kraft treten könnte, ist unklar. Zunächst müsste ein konkreter Gesetzentwurf erarbeitet und vom Senat beschlossen werden. Erst dann kann sich die Bürgerschaft damit befassen und das Gesetz verabschieden.

"Die Polizei bekommt jetzt klare Handlungsoptionen, mit denen sie mutmaßliche Straftäter verfolgen und kontrollieren kann", sagte Justizsenator Till Steffen (Grüne). So dürfe die Polizei etwa nur dann einen Ort zu einem "gefährlichen Ort" erklären, wenn "Tatsachen die Annahme rechtfertigen", dass dort Straftaten von erheblicher Bedeutung verabredet, vorbereitet oder verübt würden. "Mit einer in Augenscheinnahme von Sachen auf Grund einer 'konkreten Lageerkenntnis', also einer Vermutung, dass etwas passieren könnte, ist Schluss", sagte Steffen.

OVG-Entscheidung von 2015 zeigt jetzt Wirkung

Auslöser der geplanten Gesetzesänderung sind jedoch weniger diese Proteste als vielmehr die Klage einer Bewohnerin des Hamburger Schanzenviertels, die in der Nacht zum 1. Mai 2011 in einem damals eingerichteten Gefahrengebiet von der Polizei in Gewahrsam genommen worden war. Mitte Mai 2015 hatte das OVG dazu entschieden, dass Gefahrengebiete verfassungswidrig sind. Die seit
2005 geltende Regelung, die der Polizei bei drohenden schweren Straftaten verdachtsunabhängige Kontrollen von Bürgern erlaubt, verstoße gegen das Grundgesetz.

Die Regierungsfraktionen SPD und Grüne, aber auch die CDU, zeigten sich zufrieden mit der grundsätzlichen Einigung. "Die bisherigen Kontrollbefugnisse [...] werden beibehalten und auf eine die rechtlichen Vorgaben berücksichtigende Grundlage gestelt", erklärte der SPD-Mitglied Arno Münster. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Antje Möller, betonte: "Es wird in Hamburg keine Gefahrengebiete mehr geben." Die Polizei könne auch künftig ihrer Aufgabe voll gerecht werden. "Mit der Verlängerung der rechtlichen Regelung zur Waffenverbotszone auf der Reeperbahn bleiben auch hier die Handlungsmöglichkeiten der Polizei bestehen."

"Die Polizei darf künftig nicht nur wie bisher Personen anhalten und deren Identität feststellen, sondern hat auch weitreichendere Kompetenzen im Bereich der Durchsuchung", lobte der CDU-Politiker Dennis Gladiator die Senatspläne. Er erwarte, dass diese Befugnisse schnell gesetzlich fixiert werden. "Der untaugliche Versuch der Grünen, ihr Scheitern in diesem Punkt zu vertuschen, ist einfach nur peinlich", sagte er. Die Linken erneuerten ihre Forderung nach einem endgültigen Aus für Gefahrengebiete. "Es ist höchste Zeit, dass dieses polizeiliche Instrument abgeschafft wird, und zwar vollständig", erklärten deren Parteimitglied Christiane Schneider.

dpa/ms/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Rot-Grün will Hamburger Polizeibefugnisse ändern: . In: Legal Tribune Online, 27.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19232 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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