Bundesregierung entspricht BVerfG-Vorgaben: Verbot von Kin­der­ehen wird nach­ge­bes­sert

08.05.2024

Die Bundesregierung hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf zum Umgang mit im Ausland geschlossenen Ehen mit Minderjährigen beschlossen. Das wurde auch Zeit: Bis zum 30. Juni muss es eine Neuregelung geben.

Die Bundesregierung hat am Mittwoch den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen beschlossen. Das vorgeschlagene Gesetz betrifft Ehen, bei denen mindestens eine der beteiligten Personen bei Eheschließung noch nicht 16 Jahre alt war. Solche Ehen sollen in Deutschland auch künftig unwirksam sein.

Eine Neuregelung in diesem Bereich war notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im vergangenen Jahr entschieden hat, dass das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen aus dem Jahr 2017 mit dem Grundgesetz unvereinbar ist (Beschl. v. 01.02.2023, Az. 1 BvL 7/18). Seit 2017 gelten im Ausland geschlossene Ehen nach Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 Einführungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch (EGBGB) in Deutschland automatisch als unwirksam, wenn einer der Partner bei der Heirat noch unter 16 Jahre alt war.

Das BVerfG führte zwar aus, dass es dem Gesetzgeber freistehe, zu regeln, dass im Ausland geschlossene Minderjährigenehen im Inland unwirksam sind. Allerdings bedürfe es in diesem Fall zum einen Regelungen über die Folgen der Unwirksamkeit, wie etwa Unterhaltsansprüchen. Zum anderen müsse den Beteiligten eine Möglichkeit offenstehen, die Ehe nach Erreichen der Volljährigkeit auch nach deutschem Recht als wirksame Ehe führen zu können. Weil solche Regelungen derzeit fehlen, hielt das BVerfG Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB für mit dem Grundgesetz unvereinbar.

Das nun beschlossene Gesetz zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen soll dieser Entscheidung des BVerfG Rechnung tragen. Für den Entwurf eines solchen Gesetzes wurde es langsam auch Zeit: Denn das BVerfG hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 30. Juni 2024 eine Neuregelung zu treffen. Im März hatte deshalb die Union Druck gemacht, weil sie befürchtete, ohne Neuregelung könnten ab Juli in Deutschland Kinderehen anerkannt werden.

Damit diese Frist eingehalten werden kann, soll der Gesetzentwurf laut dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) den Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag als sog. Formulierungshilfe zur Verfügung gestellt werden. So kann er zügiger in den Bundestag eingebracht werden.

Verbot von Minderjährigenehen wie bisher

Nach dem Entwurf soll auch künftig gelten: Eine Ehe unter Beteiligung einer Person, die bei der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, ist nach deutschem Recht unwirksam. Das soll wie bisher auch dann gelten, wenn die Ehe von ausländischen Staatsangehörigen im Ausland nach dem dort geltenden Recht wirksam geschlossen wurde.

Die Unwirksamkeit der Auslandsehe in Deutschland setzt nach dem Entwurf auch nicht voraus, dass eine Behörde oder ein Gericht die Unwirksamkeit aussprechen, sondern automatisch eintritt. Dies entspricht der derzeitigen Gesetzeslage.

Für Ehen unter Beteiligung von Minderjährigen, die bei der Eheschließung mindestens 16 Jahre alt waren, bleibt es ebenso bei der derzeitigen Rechtslage: Diese Ehen sind auch nach deutschem Recht wirksam; sie können jedoch durch richterliche Entscheidung aufgehoben werden (vgl. § 1313 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB).

Neu: Unterhaltsansprüche bei unwirksamer Ehe mit Minderjährigen

Um die Beteiligten einer solchen unwirksamen Ehe besser zu schützen, sollen Unterhaltsansprüche geregelt werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass – wenn eine Ehe nach deutschem Recht unwirksam ist, weil eine der beteiligten Personen bei der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte – diese Person künftig Unterhaltsansprüche gegen die andere Person geltend machen kann.

Zu diesem Zweck soll das differenzierte System der bestehenden gesetzlichen Vorschriften über eheliche und nacheheliche Unterhaltsansprüche für entsprechend anwendbar erklärt werden (§ 1305 Abs. 1 BGB-E). Die Person, die bei der Eheschließung noch nicht 16 Jahre alt war, soll hingegen nicht selbst zur Zahlung von Unterhalt herangezogen werden können.

Neu: Möglichkeit der Heilung einer unwirksamen Ehe

Zum Schutz der Beteiligten gilt künftig außerdem: Die unwirksame Ehe kann künftig nach Eintritt der Volljährigkeit geheilt werden (§ 1305 Abs. 2 BGB-E). Für die Heilung soll es nicht ausreichen, dass die beiden Personen weiterhin wie in einer ehelichen Lebensgemeinschaft zusammenleben. Die Heilung soll eine erneute Eheschließung im Inland voraussetzen. Nach der erneuten Eheschließung soll die Ehe so behandelt werden, als sei sie bereits am Tag der unwirksamen ersten Eheschließung wirksam geworden.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte am Mittwoch: "Eheschließungen von Minderjährigen widersprechen unserer liberalen Werteordnung. Das deutsche Recht wird dies auch künftig klar zum Ausdruck bringen. Wir halten am Verbot von Minderjährigenehen in Deutschland fest. Wir akzeptieren keine im Ausland geschlossenen Minderjährigenehen, wenn auch nur einer der Beteiligten bei Eheschließung noch nicht 16 Jahre alt war. Zugleich schützen wir Betroffene besser vor den Folgen einer Unwirksamkeit ihrer Ehe. Wir treffen neue Regeln zu Unterhaltsansprüchen und zur Heilung unwirksamer Ehen. Das Bundesverfassungsgericht hat dies aus guten Gründen angemahnt. Das von 2017 stammende, geltende Recht verletzt Grundrechte. Wir wollen diesen Verfassungsverstoß beseitigen - ohne das Verbot von Minderjährigenehen aufzuweichen."

cho/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Bundesregierung entspricht BVerfG-Vorgaben: . In: Legal Tribune Online, 08.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54516 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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