Im Oktober hieß es, die Ermittlungen seien eingestellt. Nach medialem und politischem Druck nutzte die Justizministerin in Sachsen-Anhalt ihr Weisungsrecht. Jetzt führt die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg die Ermittlungen.
Der in Deutschland geduldete Sierra Leoner Oury Jalloh starb vor fast 13 Jahren im Polizeigewahrsam in Dessau. Für das Ermittlungsverfahren zu seinem Tod ist nun die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg zuständig. Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) habe dies am Donnerstag veranlasst und damit ihr externes Weisungsrecht genutzt, teilte das Justizministerium in Magdeburg mit. Angesichts der unterschiedlichen Einschätzungen der Staatsanwaltschaften in Dessau-Roßlau und Halle solle die übergeordnete Behörde nun eine Entscheidung treffen.
Das Ermittlungsverfahren zu dem Tod des Mannes aus Sierra Leone hatte die Staatsanwaltschaft Halle nach wenigen Monaten der Zuständigkeit im Oktober eingestellt. Damit in Dessau nicht gegen Dessauer Polizeibeamte ermittelt wird, sei das Verfahren von der dortigen Staatsanwaltschaft an die Behörde in Halle übergeben worden, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg, Klaus Tewes.
Zuvor hatte der zuständige Dessauer Oberstaatsanwalt Folker Bittmann in einem Aktenvermerk verschiedenste Erkenntnisse von Gutachtern zusammengeführt und einen Anfangsverdacht für ein Tötungsdelikt formuliert. Demnach könnte Jalloh in einem hilflosen Zustand mit einer geringen Menge Feuerzeugbenzin bespritzt und angezündet worden sein. Die ARD-Sendung Monitor hatte über den Anfangsverdacht und Gutachten von Sachverständigen berichtet, die eine Fremdtötung wahrscheinlicher machten als eine Selbsttötung.
Die Frage nach einem Motiv sei offen, heißt es in dem Vermerk. Bittmann führt aber zwei weitere, einige Jahre zurückliegende Todesfälle von Männern an, die in Gewahrsam genommen worden waren. Die Sorge, dass diese Fälle neuerlich untersucht werden könnten, möge zu dem Entschluss geführt haben, "mit der Brandlegung alle Spuren zu verwischen, die den Vorwurf unterlassener Hilfeleistung gegen die diensthabenden Polizeibeamten begründen könnten", heißt es in dem Vermerk. Schon 2012 hatte sich Bittmann gegen den Vorschlag des Gerichts gestellt, das Verfahren gegen den später verurteilten Polizisten einzustellen.
StA Halle: Keine weitere Aufklärung zu erwarten
Anders als in Dessau erkannten die Ermittler in Halle dort keinen Anfangsverdacht für ein Tötungsdelikt. Die Leitende Oberstaatsanwältin in Halle, Heike Geyer, sagte am Donnerstag, nach zwölf Jahren Ermittlungen und der rechtskräftigen Verurteilung eines Dienstgruppenleiters wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro sei keine weitere Aufklärung zu erwarten. Eine Wendung könne es geben, "wenn jemand mit Sicherheit sagt, dass eine Selbstentzündung ausgeschlossen werden kann". Bittmann arbeite in seinem Vermerk mit möglichen Szenarien.
Jalloh war am 7. Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben gekommen. Von Seiten der Polizei heißt es, er sei betrunken gewesen. Der Mann wurde an Händen und Füßen auf der Matratze liegend gefesselt. Wie der Brand entstehen konnte, ist auch nach zwei Landgerichtsprozessen ungeklärt. Die Gerichte hatten eine Entzündung durch Jalloh selbst angenommen, die Familie und Unterstützer Jallohs stets von Mord gesprochen. Der Fall hat bundesweit für Empörung gesorgt.
Politische Fraktionen im Landtag Sachsen-Anhalts forderten bereits einen Untersuchungsausschuss. Der Landtag sei über den Stand der Ermittlungen mehrmals falsch informiert worden. Dem Rechtsausschuss sei vorenthalten worden, dass die Staatsanwaltschaft auch die Möglichkeit eines Fremdverschuldens von Jallohs Tod in Betracht gezogen habe. Justizministerin Keding wies die Vorwürfe zurück. Es habe keine Vertuschung gegeben. In einer Sitzung des Rechtsausschusses im November sei ein aus dem April 2017 stammender Vermerk der Staatsanwaltschaft Dessau vorgetragen worden. Darin war von einem Anfangsverdacht auf ein Tötungsdelikt durch Polizeibeamte die Rede.
dpa/tap/LTO-Redaktion
Feuertod im Polizeigewahrsam: . In: Legal Tribune Online, 07.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25911 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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