Wegen ihrer Umsturzpläne müssen sich 26 Personen der Gruppe um Prinz Reuß vor drei Oberlandesgerichten verantworten. Der Generalbundesanwalt veröffentlichte am Dienstag düstere Details aus den Anklagen.
Der Generalbundesanwalt (GBA) hat gegen 26 Personen, die Teil einer mutmaßlichen Reichsbürgergruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß sind, vor drei Oberlandesgerichten Anklage erhoben. LTO hatte bereits am Montag berichtet. Nun ist im Einzelnen bekannt, was der GBA in den Anklageschriften vor den Staatsschutzsenaten in Stuttgart, München und Frankfurt am Main den Personen konkret zum Vorwurf macht.
Bei 25 Personen handelt es sich um deutsche Staatsangehörige, eine Angeschuldigte ist Russin. Allesamt werden sie der Ideologie der Reichsbürgerszene zugeordnet. Ihnen wird im Wesentlichen die Gründung bzw. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Strafgesetzbuch, StGB) vorgeworfen. Sie sollen sich auf einen "Tag X" vorbereitet haben und einen Umsturz unter Waffengewalt geplant haben.
Vor fast genau einem Jahr waren im Rahmen einer großangelegten Razzia in der deutschen Reichsbürgerszene 25 Personen festgenommen worden, unter ihnen auch die Ex-AfD-Abgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann. Im Juli 2023 hatte der 3. Strafsenat beim Bundesgerichtshof (BGH) die Untersuchungshaft mehrerer Beschuldigter verlängert. Zwischenzeitlich ist Malsack-Winkemann außerdem vorläufig des Dienstes enthoben worden. Auch ein Rechtsanwalt aus Hannover ist unter den Angeschuldigten: Tim Paul G. sollte nach den Umsturzplänen der Gruppe als "Außenminister" fungieren.
Tod der Queen als "Tag X"?
Laut der Anklage begründeten die Angeschuldigten bereits im Juli 2021 eine terroristische Vereinigung (§ 129a StGB). Die Mitglieder habe eine "Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich demokratischen Grundordnung" verbunden. Ausgehend von Verschwörungsmythen der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene sowie der QAnon-Ideologie habe die Gruppierung einen Umsturz in Deutschland erzwingen wollen, so der GBA.
Zum Plan soll unter anderem gehört haben, bewaffnet in das Berliner Reichtagsgebäude einzudringen, um dort Mitglieder des Bundestages festzunehmen und so den Systemumsturz herbeizuführen. Die Anklage spricht insoweit von konkreten Vorbereitungen, zu denen auch Schießtrainings gehört hätten.
Bevor sich die Gruppe später zunehmend abgeschottet haben soll, setzte sie maßgeblich auf eine Zusammenarbeit mit der "Allianz", einem angeblich existierenden Geheimbund. Dieser sollte nach der Vorstellung der Gruppe ein Zeichen für den "Tag X" geben. Laut der Anklage wurde als solches Zeichen beispielsweise der Tod von Königin Elisabeth II. diskutiert.
Für den Umsturz erstellte die Gruppe laut der Anklage zudem Feindeslisten und plante konkret eine politische Neugestaltung. Dazu sollte auch mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Welkriegs verhandelt werden, wobei Russland insoweit ausschließlicher Ansprechpartner hätte sein sollen. Der Gruppe war dabei bewusst, dass der Umsturz mit der Tötung von Menschen verbunden wäre, so der GBA.
Die Gruppierung soll über mehrere hundert Waffen und mindestens 148.000 Munitionsteile sowie etwa 500.000 Euro verfügt haben, so die Anklage. Auch seien unter anderem ballistische Helme, schusssichere Westen, Nachtsichtgeräte und Handfesseln angeschafft worden. Im Zuge einer fortschreitenden Abschottung sei eine Verschwiegenheitserklärung für die Mitglieder ausgearbeitet worden, wobei laut der Anklage für Verstöße die Todesstrafe vorgesehen war.
Führungszirkel in Frankfurt angeklagt
Gegen zehn Personen wurde Anklage zum OLG Frankfurt erhoben. Dabei soll es sich überwiegend um den Führungszirkel der Gruppe handeln. Unter den Angeschuldigten befindet sich neben Malsack-Winkemann hier auch Heinrich XIII. Prinz Reuß, der durch die öffentlichkeitswirksame Festnahme plötzlich bekannt wurde.
Er soll sich Ende Oktober 2021 der Gruppe angeschlossen und sie fortan maßgeblich geführt haben. Mehrere Treffen sollen auf seinem Privatanwesen in Thüringen stattgefunden haben und er sollte nach dem Umsturz zum "Staatsoberhaupt" werden. Auch beschaffte er mehrere Satelitentelefone, stellte der Gruppe rund 50.000 Euro zur Verfügung und verwahrte illegal etwa 1.000 Schuss Munition, so die Anklage.
Die russische Staatsangehörige Vitalia B. soll Reuß dabei unterstützt haben, Kontakt zu russischen Behörden aufzubauen. Unter anderem soll es Treffen in mehreren russischen Generalkonsulaten in Deutschland gegeben haben, bei denen um russische Unterstüzung gebuhlt wurde.
Ebenfalls in Leitungsfunktion soll ein ehemaliger Oberst und Kommandeur des Fallschirmjägerbattalions 251, Rüdiger von Pescatore, gewesen sein. Konkret stand er nach Überzeugung des GBA an der Spitze des "militärischen Arms" der Gruppe. Er soll die Aufstellung und Einrichtung von "Heimatschutzkompanien" geleitet haben und sich aktiv an der Mitgliederakquise beteiligt haben.
Weitere Anklagen in Stuttgart und München
Vor dem OLG Suttgart sind neun weitere Personen angeklagt. Zu ihnen gehört auch Markus L., der sich in die für die Gebiete Freudenstadt und Tübingen zuständige "Heimatschutzkompanie" eingegliedert haben soll. Dafür stellte er ein "umfangreiches Waffenarsenal" sowie entsprechende Fähigkeiten zur Verfügung, so die Anklage. Er ist zudem wegen versuchten Mordes angeklagt, denn er soll bei einer Durchsuchung, die bereits einige Monate vor der Großrazzia stattfand, aus nächster Nähe auf Polizeibeamte geschossen haben.
Auch ein ehemaliges Mitglied des in der Metropolregion Stuttgart ansässigen Kommandos Spezialkräfte (KSK), Andreas M., soll Teil der terroristischen Vereinigung gewesen sein und in dieser Funktion zahlreiche Liegenschaften der Bundeswehr ausgekundschaftet sowie Rekrutierungsverantstaltungen organisiert haben.
Vor dem OLG München ist unter anderem der eigentlich in Hannover ansässige Rechtsanwalt Tim Paul G. angeklagt. Konkret wird ihm neben der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB) auch die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens (§ 83 Abs. 1 StGB) vorgeworfen.
G. wurde von der ebenfalls Angeschuldigten Melanie R. für das Führungsgremium der Vereinigung ("Rat") vorgeschlagen, dem sie für den Bereich "Gesundheit" selbst angehört haben soll. Sie soll der Vereinigung laut der Anklage rund 47.000 Euro zur Verfügung gestellt haben.
Die zuständigen OLG-Senate werden in den nächsten Monaten nun zu prüfen haben, ob gemäß § 203 Strafprozessordnung (StPO) jeweils ein hinreichender Tatverdacht besteht und folglich die Hauptverhandlung gegen die Angeschuldigten eröffnet wird.
Anklagen gegen 26 Personen: . In: Legal Tribune Online, 12.12.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53401 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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