In einer Zeitung haben die Minister Lindner und Buschmann die Absenkung der Sozialleistungen für Asylsuchende gefordert, unter Umständen "quasi auf 'null'". Kritische Stimmen verweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG zum Existenzminimum.
Die Debatte über Sozialleistungen für Asylsuchende geht in die nächste Runde. Am Sonntag hatten Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesjustizminister Marco Buschmann (beide FDP) in einem Gastbeitrag in der Welt am Sonntag eine Absenkung der Leistungen für Asylbewerber:innen gefordert, um so finanzielle "Pull-Faktoren" zu reduzieren. Die Finanzierung von Festnetzanschlüssen, Kulturveranstaltungen und Zeitungsabos sei nicht verfassungsrechtlich vorgegeben. Bei Menschen, die sich weigern, in den nach den Dublin-Regeln zuständigen EU-Staat zurückzukehren, könne die Leistung zudem auf die Erstattung der notwendigen Reisekosten in den zuständigen Staat abgesenkt werden.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat den Rahmen für die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in einem Urteil von 2012 und einem Beschluss von 2021 vorgegeben. Laut einer Analyse des Rechtsjournalisten Christian Rath darf das Leistungsniveau für Asylsuchende nicht unter das Existenzminimum abgesenkt werden, um Ausländer:innen abzuschrecken, nach Deutschland zu kommen. Allerdings habe der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Existenzminimums.
Grünen-Vorsitzende Lang: kein Überbietungswettbewerb
Kritik erntete der Vorstoß der beiden FDP-Minister vom Koalitionspartner: Die Co-Vorsitzende der Grünen Ricarda Lang sagte am Montag: "Ich glaube, wir müssen aufpassen, dass wir nicht in einen Überbietungswettbewerb verfallen, wer das vermeintlich Härtere und Krassere fordert, sondern dass wir wirklich schauen, was hilft denn am Ende vor Ort." Lang nannte eine bessere finanzielle Unterstützung der Kommunen und eine Aufhebung von Arbeitsverboten. Sie betonte angesichts des Urteils des BVerfG, dass auch für Asylbewerber:innen das Existenzminimum gesichert werden müsse. "Zu diesem Urteil (…) stehen wir und orientieren uns daran." Langs Parteikollege und Vize-Vorsitzender der Bundestagsfraktion Andreas Audetsch stellte sich nach Berichten der Welt ebenfalls gegen einen "Wettlauf rhetorischer Eskalation aus verschiedenen Richtungen", der nicht weiterhelfe.
Auch der der Deutsche Anwalt Verein (DAV) berief sich einer Stellungnahme vom Montag auf die Entscheidung des BVerfG, das schon 2012 festgestellt habe, dass die Sorge vor angeblichen "Pull-Faktoren" keine Rechtfertigung für die Absenkung der Leistungen biete. "Die aktuellen migrationspolitischen Pläne der Regierung widersprechen unseren grundgesetzlichen Werten."
Anwaltsverein für Vereinheitlichung der Sozialleistungen
Weiter forderte der DAV die Abschaffung des AsylbLG, und die Einbeziehung der nach § 1 AsylbLG Leistungsberechtigten, also zum Beispiel Menschen mit Aufenthaltserlaubnis, in die regulären Sozialsysteme. "Existenzminimum ist Existenzminimum – für eine unterschiedliche Behandlung darf kein Platz sein." Eine einheitliche Behandlung würde laut DAV zudem die Verwaltung entlasten.
Am 6. November wollen Bund und Länder bei einer Konferenz der Ministerpräsidenten (MPK) mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über weitere Maßnahmen zur Migrationspolitik sprechen. MPK-Vorsitzender Boris Rhein (CDU) machte erneut deutlich, dass die Länder mehr Geld vom Bund erwarten. Die Bundesländer leisteten den "übergroßen Anteil" zur Finanzierung der Kosten der Migration.
lst/dpa/LTO-Redaktion
Vorstoß zur Kürzung von Asylleistungen von Lindner und Buschmann: . In: Legal Tribune Online, 30.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53026 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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