Große Koalition zum Aufenthaltsrecht: Kabi­nett besch­ließt Neu­re­ge­lung für Fami­li­en­nachzug

09.05.2018

Zu großzügig oder zu hartherzig? Das Kabinett hat eine Neuregelung des Familiennachzugs für Flüchtlinge auf den Weg gebracht. Kritik kommt nicht nur von Menschenrechtsorganisationen, sondern auch aus der Union.

Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus sollen wieder Angehörige nach Deutschland nachholen dürfen - aber mit Einschränkungen. Konkret sieht die Neuregelung vor, dass Flüchtlinge ab August wieder ihre Ehepartner und minderjährigen Kinder zu sich holen können. Auch Eltern von unbegleitet in Deutschland lebenden minderjährigen Flüchtlingen mit diesem zeitlich begrenzten Status könnten dann einen Visumsantrag stellen. Pro Monat sollen aber nur 1000 Angehörige einreisen dürfen. Eine entsprechende Änderung im Aufenthaltsgesetz verabschiedete das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin.

Bei den Beratungen dazu im Bundestag dürfte es reichlich Gegenwind von der Opposition geben. Grüne und Linke finden die Regelung zu hartherzig. Die AfD will den Familiennachzug für Flüchtlinge ganz abschaffen.Aktuell dürfen subsidiär Schutzberechtigte, darunter viele Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, nur in sehr wenigen Ausnahmefällen Angehörige nach Deutschland holen. Bis Ende Juli ist der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus ausgesetzt. 

Neben Neuerungen für subsidiär Schutzberechtigte will die große Koalition außerdem bestimmte Gruppen grundsätzlich vom Familiennachzug ausschließen. Es geht um Terrorsympathisanten, Hetzer oder sogenannte Gefährder. Das sind Menschen, denen die Behörden Terroranschläge zutrauen. Allerdings sollen auch hier Ausnahmen möglich sein. Und zwar für Menschen, die sich nun glaubhaft von ihrem früheren Handeln distanzieren. Das sorgt in der Union für Unmut. Betroffen wären nicht nur Migranten, sondern auch Deutsche, die ausländische Angehörige zu sich holen wollen.

"Familienleben ist nicht kontingentierbar"

Bei verschiedenen Menschenrechtsorganisationen stoßen die Pläne auf Ablehnung. Sie halten ihn für zu restriktiv. Das internationale Kinderhilfswerk Terre des Hommes sieht das Wohl der betroffenen Kinder durch die monatliche Obergrenze verletzt. Vorstandssprecher Albert Recknagel warnte, die Trennung von Familien werde so zementiert. "Familienleben ist aber nicht kontingentierbar - auch subsidiär Schutzberechtigte müssen mit ihren Familien zusammenleben können."

Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl sieht weitreichende Einschnitte für Flüchtlinge und Angehörige. "Aus dem Grundrecht auf Familie wird ein Gnadenrecht des Staates", kritisierte Geschäftsführer Günter Burkhardt.Caritas-Präsident Peter Neher befürchtet komplizierte Entscheidungsprozesse zu Lasten der Flüchtlinge: "Wir sind in Sorge, dass sich die Verfahren für die betroffenen Familien noch weiter verzögern und sich ihr Leid durch die inhumanen Familientrennungen noch verschlimmert."

Der Kabinettsbeschluss wird allerdings auch von den Landesinnenministern der Union kritisiert. Deren Sprecher Lorenz Caffier lehnt es ab, reumütigen Gefährdern unter Umständen das Nachholen der engsten Familie zu erlauben. Ausländische Gefährder gehörten abgeschoben, sagte der Ressortchef von Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin. Damit könne auch dessen Familie keine Zukunft in Deutschland haben. Die vom Kabinett beschlossene Regelung gefährde die Innere Sicherheit erheblich. Deutschland helfe Menschen in Not, sagte Caffier. Aber die Schutzpflicht des Staates für das Leben gelte auch für seine deutschen Bürger und die hier lebenden Familien.

dpa/kus/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Große Koalition zum Aufenthaltsrecht: . In: Legal Tribune Online, 09.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28537 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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