Bei einer Flugannullierung können Fluggäste unter bestimmten Umständen neben dem materiellen Schaden auch einen immateriellen Schaden ersetzt verlangen. Eine Annullierung liegt auch dann vor, wenn das Flugzeug zwar gestartet, aber zum Ausgangsflughafen zurückgekehrt ist. Dies entschied der EuGH am Donnerstag.
Nach der Verordnung über Ausgleichsleistungen für Fluggäste (Verordnung) müssen die Fluggesellschaften bei Annullierungen von Flügen Standardmaßnahmen gegenüber ihren Gästen ergreifen, so zum Beispiel die Erstattung des Tickets, die anderweitige Beförderung sowie die Unterkunft und Betreuung während der Wartezeit auf einen späteren Flug. Zusätzlich werden im sogenannten Übereinkommen von Montreal Voraussetzungen festgelegt, unter denen Fluggäste wegen der Annullierung eines Flugs Ansprüche auf Schadensersatz gegen die Luftfahrtunternehmen geltend machen können.
In seinem heutigen Urteil stellt der Europäische Gerichtshof (EuGH) klar, dass die nationalen Gerichte grundsätzlich problemlos Ersatz für entstandenen immateriellen Schaden gewähren können, und zwar unter den Voraussetzungen des Übereinkommens von Montreal oder denen des nationalen Rechts. Denn der Begriff "weiter gehender Schadensersatz" solle die Durchführung der in der Verordnung vorgesehenen Standardmaßnahmen ergänzen (Urt. v. 13.10.2011, Az. C 83/10).
Falls ein Luftfahrtunternehmen die ihm nach der Verordnung obliegenden Unterstützungs- und Betreuungspflichten nicht erfüllt, könnten die betroffenen Fluggäste einen Ausgleichsanspruch geltend machen. Dieser ergebe sich dann unmittelbar aus der Verordnung und könne daher nicht als "weiter gehender" Schadensersatz angesehen werden, so die Luxemburger Richter.
Der EuGH nahm in diesem Zusammenhang auch zum Begriff der "Annullierung" Stellung. Diese betreffe nicht nur den Fall, dass das Flugzeug überhaupt nicht startet, sondern läge auch vor, wenn ein Flugzeug gestartet ist, aber anschließend – gleichgültig aus welchen Gründen – zum Ausgangsflughafen zurückkehren musste und die Fluggäste auf andere Flüge umgebucht wurden. Denn dann könne der Flug in seiner ursprünglich vorgesehenen Form nicht als durchgeführt betrachtet werden.
Zudem sei bei der Prüfung des Vorliegens einer "Annullierung" auf die individuelle Situation jedes beförderten Fluggasts abzustellen. Eine Annullierung liege demnach nicht erst dann vor, wenn alle Fluggäste mit einem anderen Flug befördert wurden. Ausreichend sei es vielmehr schon, wenn in Bezug auf den betreffonen Fluggast die ursprüngliche Planung des Flugs aufgegeben wurde.
eso/LTO-Redaktion
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EuGH: . In: Legal Tribune Online, 13.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4545 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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