Im Streit um die von der EU geplante Ausweitung des Emissionsrechtehandels auch auf nicht-europäische Fluggesellschaften teilte die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs am Donnerstag ihren Lösungsvorschlag mit. Sie sieht keine rechtlichen Hindernisse für die Einbeziehung auch internationaler, außereuropäischer Airlines in den Abgabenzwang.
Anders sehen dies naturgemäß mehrere internationale Fluggesellschaften und Vereinigungen von Fluggesellschaften mit Sitz in den USA und Kanada. Ihrer Ansicht nach verstößt der ab 2012 auch für außereuropäische Airlines vorgesehene Abgabenzwang in der EU gegen internationales Recht. Insbesondere die Einbeziehung des transatlantischen Luftverkehrs in das EU-Emissionshandelssystem verstoße gegen eine Reihe von Grundsätzen des Völkergewohnheitsrechts und diverse internationale Übereinkünfte, unter anderem gegen das Chicagoer Abkommen, das Kyoto-Protokoll und das sogenannte Open-Skies-Abkommen.
In ihrem Schlussantrag kommt EuGH-Generalstaatsanwältin Juliane Kokott hingegen zu einem anderen Ergebnis: Die Einbeziehung des internationalen Luftverkehrs in den EU-Emissionshandel sei mit dem Völkerrecht vereinbar.
Kokott: Ausdehnung des Emissionshandels sogar geboten
Die Fluggesellschaften könnten sich grundsätzlich gar nicht auf die aufgeführten internationalen Abkommen und das Völkergewohnheitsrecht berufen, da diese lediglich die jeweils vertragsschließenden Staaten beträfen und nicht dazu bestimmt seien, Rechte oder Interessen Einzelner zu schützen. Auch enthalte die Richtlinie zum EU-Emissionshandel weder extraterritoriale noch die Hoheitsrechte von Drittstaaten betreffenden Regelungen. Lediglich Starts und Landungen auf Flugplätzen innerhalb der EU würden tangiert.
Die Ausdehnung des Emissionshandels auf alle Luftfahrtsunternehmen sei sogar geboten, da andernfalls eine Wettbewerbsverzerrung unvermeidbar sei. Ansonsten würden nämlich Luftfahrtunternehmen, die die Staatsangehörigkeit eines Drittstaates besitzen, gegenüber ihren europäischen Mitbewerbern einen nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil genießen (Az. C-366/10).
Die Rechtsauffassung der Generalanwältin gilt als wichtiger Fingerzeig für das in einigen Monaten zu erwartende Urteil, da das Gericht sich dieser Ansicht meist anschließt. Das Urteil wird auch für alle Reisenden bedeutsam sein, weil Langstreckenflüge wegen der Abgaben um zwei bis zwölf Euro teurer werden könnten.
mbr/LTO-Redaktion
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EuGH-Generalanwältin um Emissionsrechtehandel: . In: Legal Tribune Online, 06.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4483 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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