Weil der Bau einiger Straßen fast 40 Jahre gedauert hatte, waren die Erschließungskosten inflationsbedingt auf ein Vielfaches der damals gegenüber den Anwohnern angesetzten Summe gestiegen. Mehr zahlen müssen sie dennoch nicht, entschied das BVerwG unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung am Mittwoch.
Mit dem Urteil revidiert das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) seine eigene Rechtsprechung aus dem Jahr 1990. Damals hatte das Gericht entschieden, dass Kommunen trotz bestehender Ablöseverträge mit den Anwohnern Zahlungen nachfordern müssen, wenn die tatsächlichen Baukosten mindestens doppelt so hoch sind, wie die den Verträgen zugrundeliegenden Planungssummen (sogenannte Missbilligungsgrenze). Nun ergänzten die Leipziger Richter: Anlieger dürften nicht für Mehrkosten herangezogen werden, die im Wesentlichen inflationsbedingt entstanden seien (Urt. v. 21.01.2015, Az. BVerwG 9 C 1.14, 9 C 2.14, 9 C 3.14, 9 C 4.14 und 9 C 5.14).
Die vorliegenden Fälle einer rein inflationsbedingten Preissteigerung zeigten nach Ansicht des Gerichts, dass das starre Festhalten an einer Missbilligungsgrenze zu unangemessenen Ergebnissen zu Lasten der Bürger führen könne. Auch bei anderen, nicht inflationsbedingten Kostensteigerungen bedürfe es in Einzelfällen keiner Grenze. Den bundesrechtlichen Vorgaben sei vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage Rechnung zu tragen.
Bundesweit viele vergleichbare Fälle
Die Grundstückseigentümer hatten sich in den 1970er Jahren mit der Stadt darauf geeinigt, die zu erwartenden Kosten per Ablösevertrag vor Baubeginn der Straße zu zahlen. Die Bagger rollten aber erst beinahe 40 Jahre später an, und die Stadt forderte die Grundstückseigentümer zu Nachzahlungen zwischen 4.000 und knapp 6.500 Euro auf. Erst 2007 wurde die Straße zu Ende gebaut, mit einem gepflasterten Gehweg, neuem Asphalt und einer modernisierten Straßenbeleuchtung. Dafür verlangte die Stadt Nachzahlungen.
Die Kommune will nun überprüfen, ob die nicht beklagten Bescheide aufrechterhalten werden. Allein in Menden gibt es nach Angaben des städtischen Beigeordneten Sebastian Arlt 66 weitere, bislang nicht zu Ende ausgebaute Straßen, für die Ablöseverträge geschlossen wurden. Arlt geht davon aus, dass das Urteil viele Anwohner betrifft. "Das ist nicht nur in Menden so. Es gibt viele Städte vergleichbarer Größe und Wirtschaftskraft, in denen es ähnliche Straßen gibt."
dpa/age/LTO-Redaktion
BVerwG zu Erschließungskosten - keine starre Grenze: . In: Legal Tribune Online, 22.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14449 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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