Das Rügener Flüssigerdgas-Terminal ist umstritten. Kritiker halten es für überflüssig und umweltschädlich, doch das BVerwG weist die Klagen gegen eine Ostsee-Anbindungsleitung nun ab. Die Verbände wollen weiter kämpfen.
Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine hatte der Bund den Ausbau einer eigenen Importinfrastruktur für Flüssigerdgas (LNG) forciert, um unabhängiger von russischem Gas zu werden. Mit dem LNG-Beschleunigungsgesetz hat der Gesetzgeber Behörden die Möglichkeit eröffnet, den Aus- und Weiterbau von LNG-Terminals oder -Leitungen zu genehmigen, ohne zuvor die sonst erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. In diesem beschleunigten Verfahren genehmigte das Bergamt Stralsund eine Anbindungsleitung des umstrittenen LNG-Terminals auf Rügen.
Das war rechtmäßig, urteilte am Donnerstag das Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 25.04.2024, Az. 7 A 9.23 u. 7 A 11.23). Die Leitung für das Rügener Terminal diene der Bewältigung einer Gasversorgungskrise, teilte das Gericht am Donnerstag zur Begründung mit. Mit dem Urteil wiesen die Leipziger Richter die gegen die Genehmigung der Leitung gerichteten Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) ab.
Die beiden Verbände hatten auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom August 2023 geklagt. Schon mit Eilanträgen, die auf einen Baustopp abzielten, waren sie vor dem Leipziger Gericht im vergangenen Jahr gescheitert.
Gasmangellage gilt weiterhin
Das BVerwG ist der Auffassung, die beschleunigte Zulassung des ersten Seeabschnitts der Leitung sei geeignet, einen relevanten Beitrag zu leisten, um die fortbestehende Krise der Gasversorgung infolge der Einstellung der russischen Gaslieferungen und der Zerstörung der Nord Stream Pipelines zu bewältigen. "Die Alarmstufe des Notfallplans Gas galt im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses und gilt weiterhin."
Kritiker führen schon länger an, dass keine Gasmangellage mehr bestehe, das Rügener Terminal nicht benötigte Überkapazitäten schaffe und Umwelt und Natur unnötig schade. Der Bund hat es unter Verweis auf die Energieversorgungssicherheit verteidigt.
Entsprechend froh über das Urteil sind auch die anwaltlichen Vertreter des Bauvorhabensträgers Gascade. "Das Bundesverwaltungsgericht hat sämtliche Einwände der Kläger gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses zurückgewiesen. Die schnellstmögliche Durchführung der OAL dient dem zentralen Interesse an einer sicheren und diversifizierten Gasversorgung in Deutschland und ist aus Gründen eines überragenden öffentlichen Interesses und im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderlich", teilte das Anwaltsteam von CMS Deutschland am Donnerstag mit.
"Klima- und Meeresschutz haben heute verloren"
DUH und Nabu zeigten sich dagegen enttäuscht. "Wie kann es sein, dass 112.000 Quadratmeter zerstörte Riffe im Schutzgebiet nicht ausreichen, um ein solches Projekt zu stoppen? Das Projekt zementiert die fossile Abhängigkeit bis 2043 und steht stellvertretend für eine ganze Reihe großer Infrastrukturvorhaben", sagte Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Auch DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner wurde deutlich. "Klima- und Meeresschutz haben heute vorm Bundesverwaltungsgericht verloren." Da die rund 50 Kilometer lange Anbindungsleitung durch die Ostsee fertiggestellt ist, seien bereits jetzt "irreversible Schäden für das Ökosystem Ostsee" eingetreten. Schäden, "die es mit Umweltverträglichkeitsprüfung wahrscheinlich nicht gegeben hätte", so Müller-Kraenner. Das zeige, welche Gefahr das Beschleunigungsgesetz berge.
Nicht das letzte Wort
Die umstrittene Leitung verbindet das Rügener Terminal mit dem Gasleitungsknotenpunkt auf dem Festland in Lubmin. Im Hafen von Mukran liegt bereits das Spezialschiff "Energos Power", das seit Anfang März im Probebetrieb Gas eingespeist hat. Künftig soll es mit einem weiteren sogenannten Regasifizierungsschiff per Schiff geliefertes LNG aufnehmen, umwandeln und über die Anbindungsleitung einspeisen. Früheren Angaben zufolge soll spätestens Mitte Mai der Regelbetrieb beginnen und bis zum Sommer die volle Leistungsfähigkeit erreicht werden.
Mit dem Leipziger Urteil ist allerdings noch nicht das letzte Wort im Zusammenhang mit dem LNG-Terminal gesprochen. Die Gemeinde Binz, die unweit des Terminals liegt, hatte angekündigt, gegen die Genehmigung des Regelbetriebs vor dem BVerwG zu klagen und einen Eilantrag einzureichen, der sich gegen den Betrieb richtet.
Auch die DUH will nach dem Urteil weiter kämpfen. "Das ist für uns als DUH ein Ansporn, in weiteren Verfahren jetzt erst recht gegen das unnötige LNG-Terminal Rügen vorzugehen", so Müller-Kraenner.
xp/mk/dpa/LTO-Redaktion
BVerwG weist Klagen von Umweltverbänden ab: . In: Legal Tribune Online, 25.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54419 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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