Bundesverwaltungsgericht: Abschie­bung auch ohne dau­er­haft gesi­cherte Exis­tenz im Her­kunfts­land

21.04.2022

Ein Abschiebungsverbot gibt es nur, wenn dem Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verelendung droht. Nicht aber, wenn seine Existenz zumindest vorübergehend gesichert ist. Das hat das BVerwG entschieden.

Ist die Existenz einer abzuschiebenden Person für einen absehbaren Zeitraum noch gesichert, dann kann sie auch abgeschoben werden. Auch finanzielle Rückkehrhilfen sind bei der Entscheidung miteinzubeziehen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig entschieden (Urt. v. 21.04.2022, Az. 1 C 10.21).

Geklagt hatte ein afghanischer Mann, der in Deutschland erfolglos einen Antrag auf Asyl gestellt hatte. Vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim erreichte er ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) i.V.m. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in Bezug auf Afghanistan. Wegen der dort gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aufgrund der Corona-Pandemie sei es nur bei Vorliegen besonderer begünstigender Umstände möglich, in Afghanistan auf legalem Wege die elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Dazu zählten Nahrung, Unterkunft und Hygiene, so der VGH. Die freiwilligen Rückkehrenden gewährten Finanzhilfen seien bestenfalls nur eine anfängliche Unterstützung und hätten bei fehlendem sozialem Netzwerk vor Ort keine nachhaltige Bedeutung.

Das sah das BVerwG nun anders und hob das Urteil auf. Der vom VGH gewählte Maßstab stehe mit Art. 3 EMRK und dem Erfordernis einer "schnell" oder "alsbald" nach der Rückkehr eintretenden Gefahr nicht im Einklang. Stattdessen müsse die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung konkret sein, also in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu der Rückkehr stehen – und eben nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt.

Außerdem kann der Abschiebungsschutz bei Inanspruchnahme von Rückkehrhilfen laut BVerwG nur greifen, wenn bereits zum Beurteilungszeitpunkt davon auszugehen ist, dass der ausländischen Person nach dessen Verbrauch mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verelendung droht. Nicht entscheidend sei hingegen, ob das Existenzminimum einer ausländsichen Person in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist.

Ob das im konkreten Fall so ist, muss der VGH Mannheim nun nochmal entscheiden.

pdi/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Bundesverwaltungsgericht: . In: Legal Tribune Online, 21.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48207 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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