Obwohl das Grundgesetz geändert wurde, kann die Stadt Büdingen die NPD-Fraktion im Kommunalparlament nicht von städtischen Geldern ausschließen, so das BVerwG in seiner nun veröffentlichten Entscheidung.
Kommunen haben keine Handhabe, um verfassungswidrigen Parteien, die im Gemeinderat vertreten sind, die Fraktionszuwendungen zu streichen. Das geht aus einer nun veröffentlichten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hervor (Urt. v. 27.06.2018, Az. 10 CN 1.17).
Nach Aufassung der Leipziger Richter gestattet auch das neue Verfassungsrecht in Bezug auf die Parteienfinanzierung keinen Ausschluss der NPD von kommunalen Fraktionstöpfen. Im Juni vergangenen Jahres hatte der Bundestag eine Verfassungsänderung beschlossen und dem Art. 21 Grundgesetz (GG) einen neuen Absatz hinzugefügt, der verfassungsfeindliche Parteien von staatlicher Finanzierung ausschließt.
Grund war das gescheiterte Verbotsverfahren gegen die NPD, in dem das Bundesverfassungsgericht festgestellt hatte, dass die Partei zwar verfassungswidrige Ziele verfolge, aber zu unbedeutend sei, um verboten zu werden. In einem obiter dictum hatten die Karlsruher Richter sodann auf die Möglichkeit des Gesetzgebers hingewiesen, die NPD von der Parteienfinanzierung auszuschließen.
Büdingen schon vom VGH gebremst
Bis das Berliner Parlament handelte, dauerte es mehr als fünf Monate. Schneller war da die 22.000 Einwohner zählende Kleinstadt Büdingen im Regierungsbezirk Darmstadt. Gerade einmal zehn Tage nach dem Urteil aus Karlsruhe beschloss man in der Stadtverordnetenversammlung, künftig Fraktionen aus Vertretern erkennbar verfassungsfeindlicher Parteien von finanziellen Zuwendungen zur Fraktionsgeschäftsführung auszuschließen. Betroffen war davon nur die NPD, die bei den vorangegangenen Kommunalwahlen über zehn Prozent erreicht hatte.
Das Vorhaben wurde aber fast so schnell wieder gebremst wie es beschlossen worden war: Die NPD zog vor Gericht und hatte mit ihrem Normenkontrollantrag vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Hessen Erfolg. Die Richter sahen in dem Ausschluss eine ungerechtfertigte Diskriminierung nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, nach dem niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt werden dürfe.
Selbst eine erkennbare Verfassungsfeindlichkeit sei demnach kein zulässiges Unterscheidungskriterium. Daran ändere auch die Entscheidung des BVerfG und dessen Hinweis auf die Ausschlussmöglichkeit von der Parteienfinanzierung nichts. Dieser war vielfach dahingehend missverstanden worden, dass nun einfach per Gesetz die Zuwendungen an eine Partei unterbunden werden könnten. Der Bundesgesetzgeber hatte bei seiner Neuregelung bewusst dem BVerfG die Entscheidung darüber vorbehalten.
Gleiches Ergebnis, andere Begründung
Nun wertete auch das BVerwG erwartungsgemäß den Ausschluss als Verstoß gegen Art. 3 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlich verankerten Status der Parteien in Art. 21 GG und der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 GG. Auch nach der Grundgesetzänderung dürfe die Verfassungswidrigkeit einer Partei nicht von einer Kommune herangezogen werden, um ihr die Fraktionszuwendungen zu versagen.
Allerdings zog man zur Begründung nicht - wie zuvor der VGH - Art. 3 Abs. 3 GG heran, sondern dessen Abs. 1. Schließlich seien Fraktionen als Teile der Gemeindevertretung keine Grundrechtsträger, weshalb eine Diskriminierung wegen der politischen Einstellung nicht in Betracht komme. Es sei vielmehr ausschlaggebend, so der Senat, dass die Benachteiligung der betroffenen Fraktionen nicht durch einen sachlichen Grund im Sinne des allgemeinen Gleichheitssatzes gerechtfertigt sei.
Ein solcher sei hier nicht mit der Verfassungsentscheidung für eine wehrhafte Demokratie oder dem verfassungsrechtlichen Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu begründen, entschieden die Leipziger Richter. Das seinerzeit geltende Verfassungsrecht habe eine rechtliche Benachteiligung von Parteien jenseits eines Verbots durch das BVerfG ausgeschlossen. Wollte man dies ändern, bedurfte es einer Grundgesetzänderung, die nur einer qualifizierten Mehrheit im Bundestag obliegt.
Fraktionsarbeit ist keine Parteiarbeit
Auch nach der Neuregelung,so betonte der Senat, wäre die Ausschlussregelung in Büdingen nicht zu halten. Zum einen sehe Art. 21 Abs. 4 GG in Fällen des neu eingefügten Abs. 3 eine Entscheidung durch das BVerfG vor, zum anderen betreffe dieser auch nur bundesgesetzliche Regelungen.
Gegenstand von Abs. 3 sei zudem die Parteienfinanzierung, die sich auf die Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes beziehe. Anders liege es bei der Fraktionsarbeit in den Kommunalparlamenten, die die dem staatlichen Bereich zuzuordnen sei. Die Mittel hierfür dürften auch nicht zur Parteiarbeit zweckentfremdet werden.
Im Übrigen schließe Art. 9 GG jede Benachteiligung von Fraktionen wegen einer Zugehörigkeit ihrer Mitglieder zu verfassungsfeindlichen Vereinigungen aus, stellten die Richter fest. Dies gelte, bis die Vereinigung gemäß § 3 des Vereinsgesetzes (VereinsG) in einem förmlichen Verfahren verboten worden sei.
mam/LTO-Redaktion
BVerwG zu Fraktionszuwendungen: . In: Legal Tribune Online, 03.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30717 (abgerufen am: 22.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag