Das BVerfG hat die Versagung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes gegen einen Kostenbescheid für eine polizeiliche Ingewahrsamnahme für verfassungswidrig erklärt. Ein Castor-Gegner war mit seiner Beschwerde erfolgreich.
Der Beschwerdeführer nahm im März 2001 an einer Versammlung gegen den Castor-Transport teil. Dabei wurde er in polizeilichen Gewahrsam genommen und für eine Identitätsfeststellung zur Polizeiinspektion gebracht. Eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit der mehrere Stunden dauernden polizeilichen Maßnahme erging nicht.
Sechs Monate später wurden dem Beschwerdeführer die Kosten für die polizeiliche Ingewahrsamnahme auferlegt. Seine Klage gegen den Kostenbescheid vor den Verwaltungsgerichten blieb in allen Instanzen erfolglos.
Begründung der Verwaltungsgerichte: Sie könnten zwar prüfen, ob die Auflösung der Versammlung, nicht aber, ob die Ingewahrsamnahme rechtmäßig war. Für letztere sei die Zuständigkeit des Amtsgerichts gegeben. Es falle in den Risikobereich des Beschwerdeführers, wenn er im Anschluss an die Ingewahrsamnahme von dieser Rechtsschutzmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe.
Gegen diese Entscheidungen hatte der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde eingelegt. Er rügte eine Verletzung seines Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellte jetzt fest, dass die Entscheidungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen im Hinblick auf das Gebot einer umfassenden Nachprüfung des Verwaltungshandelns nicht gerecht werden und den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG verletzen. Die angegriffenen Entscheidungen wurden aufgehoben (Beschl. v. 29.07.2010, Az. 1 BvR 1634/04).
Grundsätzlich könne sich der Landesgesetzgeber dafür entscheiden, den Rechtsschutz gegen polizeiliche Ingewahrsamnahmen den Amtsgerichten anzuvertrauen, während er die nachgelagerte Prüfung der Rechtmäßigkeit des auf der Ingewahrsamnahme beruhenden Kostenbescheides bei den Verwaltungsgerichten belasse. Eine solche Rechtswegspaltung habe aber nicht automatisch zur Folge, dass es einem angerufenen Gericht verwehrt sei, Vorfragen zu prüfen, die, wären sie Hauptfrage, in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Gerichts fielen.
Als Ausfluss des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz gelte vielmehr der Grundsatz, dass das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheide.
BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 25.08.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1285 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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