BVerfG zum Deal im Strafverfahren: Angeklagter muss vor seiner Zustimmung belehrt werden

17.09.2014

In mehreren, am Mittwoch bekannt gegebenen Beschlüssen hat das BVerfG Klarstellungen zum Deal im Strafprozess getroffen. Insbesondere der BGH kommt dabei nicht gut weg. Dessen zu Grunde liegende Revisionsentscheidungen verstießen "in unvertretbarer und damit objektiv willkürlicher Weise gegen den eindeutigen objektivierten Willen des Gesetzgebers".

Gemäß § 257c Abs. 5 Strafprozessordnung (StPO) ist der Angeklagte im Rahmen einer Verständigung zu belehren, dass das Gericht nur unter bestimmten Umständen an eine Verständigung über das Strafmaß (sogenannter "Deal") gebunden ist. Das Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) stellte nun klar, dass diese Belehrungspflicht keine bloße Ordnungsvorschrift, sondern ein zentrales Instrument zur Sicherung eines fairen Verfahrens und der Selbstbelastungsfreiheit darstellt. Die Belehrung des Angeklagten müsse daher bereits vor der Zustimmung des Angeklagten zu der Verständigung erfolgen. Andernfalls sei regelmäßig davon auszugehen, dass sowohl ein etwaiges Geständnis, als auch ein darauf folgendes Urteil die Grundrechte des Angeklagten verletzten (Beschl. v. 25.08.2014, Az. 2 BvR 2048/13).

Darüber hinaus sei zu Beginn der Hauptverhandlung stets vom Gericht mitzuteilen, ob Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung stattgefunden haben. Auch eine "Negativmitteilung", dass gerade keine solchen Gespräche stattgefunden haben, sei erforderlich. Dies ergebe die Auslegung des "sprachlich wenig geglückten" § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Sinn und Zweck der Norm sei nämlich, umfassende Transparenz in Bezug auf Verständigungen im Strafprozess zu schaffen. Dies spreche für eine Negativmitteilungspflicht. Zudem habe sich der Bundesrat seinerzeit im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich gegen eine Negativmitteilungspflicht gewandt und einen entsprechenden alternativen Gesetzentwurf eingebracht. Dieser sei jedoch gerade nicht Gesetz geworden.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte dies zuvor noch anders gesehen und zwei Revisonen von verurteilten Straftätern als unbegründet verworfen. In ungewöhnlich scharfer Weise rügte die 2. Kammer des 2. Senats des BVerfG diese Beschlüsse und stufte sie als "Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot" ein. Die Auslegung des BGH, wonach keine Mitteilungspflicht bestehe, wenn keine auf eine Verständigung hinzielenden Gespräche stattgefunden haben, verstoße "in unvertretbarer und damit objektiv willkürlicher Weise gegen den eindeutigen objektivierten Willen des Gesetzgebers". Wie dieser Wille des Gesetzgebers aussehe, habe das BVerfG bereits mit seinem Urteil vom März 2013 klargestellt (Beschl. v. 26.08.2014, Az. 2 BvR 2172/13 und 2 BvR 2400/13).

mbr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG zum Deal im Strafverfahren: . In: Legal Tribune Online, 17.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13206 (abgerufen am: 04.11.2024 )

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