Zwei Gegner des Castortransports, die beim sog. Schottern erwischt wurden, durften bis zum Eintreffen des Zuges im Verladebahnhof in Gewahrsam genommen werden. Das stellt das BVerfG in einem aktuellen Beschluss klar.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die präventive Ingewahrsamnahme zweier Gegner eines Castortransports im Jahr 2011 als rechtmäßig eingestuft. Die Richter erkannten weder einen Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) noch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Der Beschluss, mit dem die beiden Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen wurden, wurde am Dienstag veröffentlicht (Beschl. v. 18.04.2016, Az. 2 BvR 1833/12 und 1945/12).
Die beiden Beschwerdeführer waren im November 2011 von der Polizei beim sog. Schottern erwischt worden. Hierbei werden Steine aus dem Gleisbett entfernt, um das Gleis unbefahrbar zu machen. Diese Form der Sabotage kann mehrere Straftatbestände erfüllen. In Betracht kommt insbesondere die Störung öffentlicher Betriebe nach § 316b Strafgesetzbuch (StGB), der gefährliche Eingriff in den Bahnverkehr, § 315 StGB, gegebenenfalls nachrangig die Sachbeschädigung nach § 303 StGB.
Präventiver Gewahrsam nur bei konkreter Straftrat
Die Transportgegner wurden von der Polizei in die Gefangenensammelstelle verbracht und am frühen Morgen des Folgetages, dem 27.November, einem Richter des zuständigen Amtsgericht s(AG) Lüneburg vorgeführt. Dieser ordnete nach Anhörung die Ingewahrsamnahme bis zum Eintreffen des Castortransports im Zielort, dem Verladebahnhof in Dannenberg, an, längstens aber bis zum Ablauf des 28. November. Die Aktivisten wurden daraufhin in den frühen Morgenstunden des 28. November entlassen. Ihre Beschwerden wies das Landgericht (LG) Lüneburg als unbegründet zurück.
Auch die Richter in Karlsruhe stellten nun klar, dass die Ingewahrsamnahme die Aktivisten nicht in ihrem Grundrecht auf Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 2 S. 2 in Verbindung mit Art. 104 GG verletzt habe. Dies gelte auch für das Recht auf Freiheit und Sicherheit nach Art. 5 EMRK. Zwar könne eine präventive Ingewahrsamnahme nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nur zulässig sein, wenn damit die "Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung" beabsichtigt sei. Wenn es darum gehe, eine Straftat zu verhindern, müsse diese bereits hinreichend bestimmt sein. Außerdem müsse sich der Betroffene als unwillig gezeigt haben, die Straftat zu unterlassen. Dies sah das BVerfG nach den fachgerichtlichen Feststellungen aber als gegeben an.
Die Ingewahrsamnahme habe, so das BVerfG, nicht etwa der Durchsetzung der allgemeinen Pflicht gedient, sich an Gesetze zu halten, sondern es sei um die Verpflichtung gegangen, während der Dauer des Castortransports keine weiteren Straftaten am Gleisbett zu begehen. Die Aktivisten hätten sich bereits zuvor der Begehung eines gleichartigen Delikts verdächtig gemacht, heißt es. Es habe daher keiner Prüfung bedurft, ob womöglich ein milderes Mittel wie ein Platzverweis ausgereicht hätte.
una/LTO-Redaktion
BVerfG zum Castortransport: . In: Legal Tribune Online, 01.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19512 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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